Aegypten. 35
einem Europäer gesehenen Quellen im innern Afrika, südlich von dem
Aequator, und bilden einige Landseen, deren größter, der Victoriasee
(Nvanza, Ukerewesee), zwischen 2° und 3° südl. Br. liegt. Von den
monatlangen Platzregen, welche in dem heißen Erdgürtel eine erstaunliche
Wassermasse herabgießen, schwillt er hoch über seine Ufer an und bela-
det sich in den waldigen und sumpfigen Wildnissen mit fettem Schlamm.
Diese trübe Fluth steigt nun im Thale Aegyptens über ihre Ufer und
überrieselt die ganze Thalfläche; im Juni, zur Zeit der Sommersonnen-
wende, fängt der Fluß in der Regel an zu steigen, gegen Ende Oktobers
kehrt er wieder in sein im Durchschnitte 2000 Fuß breites Bett zurück
und zwar in kürzerer Zeit, als er angeschwollen ist, und hinterläßt die
Felder getränkt und mit einem fetten Schlamme überzogen. Nun wird
gesäet und gepflanzt; Getreide und Hülsenfrüchte aller Art, Sesam, Me-
lonen u. s. w., wachsen bei der großen Sonnenwärme in dem feuchten
und fetten Boden schnell heran und die meisten Früchte reifen so frühe,
daß der Aegyptier zweimal ärnten kann, ohne auch nur die Hälfte der
Arbeiten verrichten zu müssen, welche bei uns dem Landmanne so man-
chen Schweißtropfen auspressen. Diesen wohlthätigen Nil verehrten die
alten Aegpptier göttlich und glaubten, er entspringe in den Wohnungen
der Sonne; sein Anschwellen und Zurücktreten wurde mit Festen gefeiert,
bei welchen sich das Volk dem Ausbruche seiner Lust zügellos hingab.
Regelmäßig tritt der Nil aus und wieder zurück; regelmäßig folgen
Saat und Aernte; die Sonne wird fast nie mit Wolken umhüllt, son-
dern strahlt immer mit blendendem Glanze; Gewitter sind außerordent-
lich selten, und nur Unterägypten kennt Landregen. So wenig als die
Jahreszeiten sieht der Aegyptier Berg und Thal, Wald und Feld, An-
ger und Wiese mit einander abwechseln; zwischen nackten Felsrücken,
binter denen der Wüstensand in der Sonnenhitze glüht und durch die
Verdünnung der Luft wirbelnde Stürme erzeugt, ist sein fast zweihun-
dert Stunden langes Thal eingeschnitten, welches jährlich einmal von
dem Flusse unter Wasser gesetzt, nachher aber zum Saat= und Aernte-
feld wird. So waren auch die alten Aegyptier ein wunderbares Volk,
einzig in ihrer Art wie ihr Land. Noch waltet über ihre älteste Ge-
schichte ein tiefes Dunkel, das vielleicht durch die Erforschung der Denk-
male aufgehellt wird, deren sie mehr als jedes andere Volk der Erde
hinterlassen hbaben. Aus den einbalsamierten Leichen, die in unzähligen
Felsengräbern millionenweise aufbewahrt liegen, ergibt sich, daß die Be-
völkerung des alten Aegypten aus drei Menschenschlägen bestand, die
aber in einander übergingen, wozu wir in den amerikanischen Mestizzen
und Mulatten und deren Unterabtheilungen ein Seitenstück sehen. Ein
Theil der Aegyptier war von heller Farbe und gehörte offenbar dem
sogenannten kaukasischen Stamme anz ein anderer war dunkler, aber
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