160 Das heilige römische Reich deutscher Nation.
Hierauf wurde zur Wahl eines Königs von Jerusalem geschritten und
einmüthig der tapfere Gottfried erkoren. Er aber sprach: „das sei ferne
von mir, daß ich da eine goldene Krone trage, wo das Haupt des Hei-
landes unter einer Dornenkrone geblutet hat,“ und nannte sich nie Kö-
nig von Jerusalem, sondern Beschützer des heiligen Grabes. Er war
es in der That, so lange er lebte. Schon in dem ersten Monate, als
bereits die meisten Pilger nach Hause zurückgekehrt waren, griff der
Sultan von Aegppten das kleine Königreich mit einem gewaltigen Heere
an, wurde aber von Gottfried im August bei Agskalon besiegt und
nach Aegypten zurückgetrieben. Leider starb Gottfried, den selbst die Mo-
hammedaner bewunderten, nach kaum einjähriger Regierung und wurde
in Jerusalem begraben, wo man den christlichen Pilgern noch heut zu
Tage sein Grab zeigt. Ihm folgte sein Bruder Balduin, der Fürst von
Edessa, der die Türken tapfer zurückschlug, welche das christliche König-
reich von allen Seiten beunruhigten.
Die Kunde von der Eroberung Jerusalems versetzte das christliche
Europa in Jubel. Das Kreuz, das in Asien dem Halbmonde hatte wei-
chen müssen, hatte triumphiert, die lange Schmach der Christenheit war
gesühnt, und welche Aussicht öffnete sich! Drei christliche Reiche waren
gegründet: Edessa, Antiochia, Jerusalem, ebenso viele Thore, durch welche
das Christenthum in das innere Asien, an den Euphrat und Tigris, nach
Damaskus und Bagdad vordringen sollte. Gab es für die kriegslustigen
adeligen Söhne einen schöneren Kampf als mit den Ungläubigen in Asien,
und wo war wie in Asien eine solche Ländermasse, groß genug für
Millionen der schönsten Lehen, welche für die Tapferen zu gewinnen
waren?
Lortdauer der Kreuzzüge.
Andacht und Kriegslußst lenkten nun einen fortwährenden Menschen-
strom aus dem Abendlande nach Asien; es war ein beständiger Kreuz-
zug, der aber zu bestimmten Zeiten besonders mächtig anschwoll, wo
dann die Geschichte einen neuen, besonderen Kreuzzug (es sind deren
sieben.) aufzeichnet. Schon 1100 zogen der Graf von Poitou, Herzog
Welf von Bayern, Bischof Ulrich von Passau, Erzbischof Thiemo von
Salzburg, Abt Giselbert von Admont r. nach, fanden aber mit mehr
als 100,000 Menschen bis auf wenige in Kleinasien durch Hunger und
das Schwert der Türken ihren Untergang.