258 Deutschland und Italien finken.
in der Gefangenschaft gestorbenen Grafen Veit, mit Flandern, bebielt
jedoch die Städte Lille, Donai, Orchies und Bethune, welche ihm bis
zur Ersetzung der Kriegskosten als Pfand übergeben wurden, auch nach-
her treuloser Weise zurück, ohne daß die Fläminger sie ihm wieder zu
entreißen vermochten.
Auf ähnliche Weise vergrößerte er seine Macht im südlichen Frank-
reich; er zwang den Fürsten von Montpellier, einen aragonischen Prin-
zen, ihn als seinen unmittelbaren Lebensherrn anzuerkennen, und 1313
unterwarf er auch Lyon seiner Herrschaft. Ueber diese wichtige Stadt
und die von ihr benannte Grasfschaft batte Friedrich I. Barbarossa als
König von Arelate den Lyoner Erzbischof zu seinem ewigen Statthalter
eingesetzt; allein der gänzliche Verfall der kaiserlichen Macht und Streitig-
keiten des Erzbischofes mit der Stadt, sowie mit dem Grafen von Forez
gaben schon Ludwig IX. Gelegenheit, die Rolle eines obersten Richters
zu übernehmen, und Philipp IV. erzwang 1313 vom Erzbischof wie von
der Stadt die Huldigung mit Waffengewalt. Wie er mit Hilfe des
Papstes den Templerorden vernichtete, ist bereits (S. 217 u. 255) erzählt;
da andere Monarchen dessen Güter verwandten Orden übergaben, so
überließ auch Philipp IV. den Johannitern das Grundeigentbum des
Templerordens, aber erst nachdem er auf dasselbe eine ungeheure Schul-
denmasse kontrahiert hatte, welche nun die Johanniter als Zugabe mit
binnehmen mußten. Plilipp IV., der durch wiederholte Ausmünzung von
schlechtem Gelde mehrere Aufstände veranlaßt, auch die Juden einige-
male gebrandschatzt hatte, starb 1314.
Ludwig X. (1314—1316). Philipp V. (1316—1322). Karl IV. (1322—1328).
Seine Söhne und Nachfolger Ludwig X. (1314—1316), Phi-
lipp V. (1316—1322), Karl IV. (1322—1328) handelten in dem
Geiste ihres Vaters; dieser hatte das Parlament als obersten königlichen
Gerichtshof in Paris errichtet und dafür gesorgt, daß Räthe aus den
Provinzen, welche deren Rechte kannten, darin saßen; weil hier die Ent-
scheidungen schneller folgten und weniger kosteten, so kamen auch die
wichtigsten Prozesse vor dieses Tribunal des Königs. Durch die General-=
staaten (die drei Stände) ließ sich der König Steuern bewilligen; die
Geistlichkeit verlor ihren Einfluß auf das Parlament immer mehr, und
der König bezog von ihr den zehnten Theil der Einkünfte. Ebenso ver-
drängte er die verschiedenen Münzrechte, so daß es in Frankreich nur
mehr königliches Geld gab. Wie ganz anders stand die Königsmacht da
als in Deutschland! Kein Wunder, daß die Franzosen bereits daran
dachten, die Kaiserkrone an sich zu bringen und die vorberrschende Macht
in Europa zu werden. Dieses schien um so erreichbarer, weil die Anjous
in Neapel, trotz des Verlustes von Sicilien, ihre Herrschaft über Ita-