Die Einrichtung der neuen Reiche. 23
Leibeigenen, wodurch derselbe vorerst noch nicht die vollen Rechte des
Freien erlangte, erfolgte bei den Franken entweder durch den König
(weil dieser dem Freizulassenden einen Denar aus der Hand schlug, bieß
ein solcher Freigelassener Denarialis), oder durch einen Freibrief (daher
der Name Chartularius), oder durch Freilassung in der Kirche durch
eine Urkunde (daher Tabularius genannt).
Die ehemals römische Bevölkerung (Provinciales oder Romani
genannt) blieb bei einigen germanischen Stämmen im freien Besitze der
ihr gelassenen Grundstücke (z. B. bei Gothen, Burgunden, Franken),
wenn die Germanen von dem Kaiser ursprünglich in Kriegsdienst
genommen und in den Provinzen einquartiert oder angesiedelt wurden
(als hospites), bei Andern war ihr Loos Hörigkeit oder Leibeigenschaft
(z. B. bei den Angelsachsen und Alemannen), wenn die Provinzen im
Kriege gegen die Römer erobert wurden. Wo rémische Städte erhalten
blieben, scheint auch überall die römische Städteverfassung fortgedauert
zu haben.
Zu den unfreien Dienstleuten gehörten ursprünglich auch die Mi-
nisterialen, denen entweder ein Dienst um die Person des adeligen
Herrn oder ein besonderer Kreis von Geschäften angewiesen war. Aus
ihnen nahm der Herr in der Regel den Verwalter (Major) seiner
Güter, aus ihnen bildete er sein Hofgesinde dem königlichen nach (Schenk,
Kämmerer 1c.), und mit der Zeit erhielten sie immer mehr Ehre, so daß
aus ihnen hauptsächlich der niedere Adel hervorging. Der Auzsdruck
Ministerialis bezeichnete deswegen in späterer Zeit einen Freien oder
Edeln, der irgend ein Amt oder einen bestimmten Dienst hatte.
Das Lehenwesen.
Zu den eigenthümlichen germanischen Einrichtungen gehört nament-
lich das Lehenwesen (Feudalwesen, Vasallenthum), das aber in dieser
Zeit erst im Entstehen ist, 3 Jahrhunderte später aber ausgebildet
erscheint. Der König gab von seinen eigenen Gütern einem Adeligen
oder Freien ein solches als Lehen (von leihen; benelicium, feudum),
d. h. er überließ ihm die Nutznießung desselben, wogegen sich dieser
durch Eid (homagium, hominium, vassaticum, fidelitas) verpflichtete,
den Lehensherrn mit Rath und That im Frieden und Krieg zu unter-
stützen; der Bruch des Lehenseides hieß Felonie. Ebenso übernahmen
Freie von Adeligen Lehen und damit die gleiche Verpflichtung gegen
sie. Wollte der Lehensherr nach dem Tode des Lehensträgers sich dessen
Sohn auf gleiche Weise verpflichten, so mußte er ihm auch das väterliche
Lehen übergeben, und es ist deßwegen begreiflich, daß sich die Erblichkeit
der Lehen schon frühe zu entwickeln begann. Da der Lehensträger den
Schutz des Lehensherrn genoß, so übergaben in unruhigen anarchischen