Kaiser Max l. 337
In seinen jüngeren Jahren hatte Ludwig bei mehreren Gelegenheiten
Muth und kriegerische Einsicht bewiesen, doch die Gefahr nie aufgesucht
wie Max; in späteren Jahren entzog er sich aber der persönlichen Theil-
nahme am Kriege so gänzlich und zeigte auch sonst eine solche Aengstlich-
keit, daß man allgemein glaubte, er sei durch sein schlechtes Gewissen zum
Feigling heruntergestimmt worden. Gewöhnlich residierte er in seinem
Schlosse Plessis le Tours (in der Nähe der Stadt Tours), das mit Grä-
ben, Mauern, Fußangeln, Fallgruben, versteckten Schützen und schottischen
Leibwächtern so gesichert war, daß auch eine einzelne Person Ludwig XlI.
ebensowenig unversehens nahen konnte, wie ehemals dem Kaiser Tiberius
auf der Insel Kapri.
Zu seinen Vertrauten wählte er nicht Männer aus dem höchsten
Adel, sondern aus den niederen Ständen, ohne dieselben jedoch zu den
höchsten Würden zu erheben. Bei dem Bürgerstande suchte er sich durch
seine einfache Tracht und Lebensweise populär zu machen, gewann den-
selben jedoch zumeist durch die Art und Weise, wie er ihn gegenüber
dem hohen Adel begünstigte. Diesem war Ludwig so furchtbar als einst
Tiberius den alten römischen Familien; das gefährliche Bündniß des-
selben (ligue du bien public) hatte er kaum durch scheinbare Zugeständ-
nisse entwaffnet und getrennt, als er die einzelnen Mitglieder durch Ränke
in Kriege verwickelte oder sie selbst mit Waffengewalt bekämpfte, am
allerliebsten stiftete er aber Empörungen gegen sie an oder suchte ihnen
durch Meuchelmord beizukommen. Ebenso treulos und meineidig war er
in seiner auswärtigen Politik; seine Erfolge gewann er am wenigsten
durch offenen Krieg, sondern vielmehr durch die Kunst, mit welcher er
seine Feinde in andere Kriege zu stürzen oder durch Empörungen und
Verräthereien zu neutralisieren verstand, zu welchem Zwecke er mit sei-
nen Schätzen nie geigzte.
Die öffentliche Sicherheit überwachte er strenge und befriedigte durch
die Bestrafung gemeiner Verbrecher seinen Hang zur Grausamkeit, wenn
er demselben nicht vornehmere Opfer bringen konnte.
Stehendes Heer.
Schon sein Vater hatte durch die sogenannten Ordonnanzkompagnien
(15, jede zu 4 Offizieren und 600 Reitern.) und geworbenes Fußvolk
ein stehendes Heer errichtet, das er durch Anwerbung von Schotten und
Schweizern verstärkte. Durch sie, die in den größeren Städten als Gar-
nison lagen, erzwang er Ruhe und Gehorsam und stand immer schlag-
fertig da, während er durch feste Steuern ein regelmäßiges Staatsein-
kommen herstellte und dasselbe weder durch Verschwendung noch durch
zwecklose Freigebigkeit zersplitterte, auch nicht zu fernen und unsichern
Unternehmungen verbrauchte. Er vereinigte als Erbe des jüngeren Hau-
Bumiller, Mittelalter. 22