Full text: Die Weltgeschichte. Zweiter Theil. Das Mittelalter. (2)

Italien. Venedig. 339 
es war durch Handel und Gewerbe das reichste Land Europas; diese 
schwanden aber mit der Entdeckung des Seeweges nach Ostindien mehr 
und mehr. 
Venedig. 
Damals war „der Venediger Macht“ noch in Deutschland sprich- 
wörtlich; die Republik hatte 3300 Schiffe auf dem Meere mit einer 
Bemannung von ungefähr 36,000 Seeleuten, während sie 16,000 Ar- 
beiter auf den Wersten und für die Zeughäuser beschäftigte. Mit den 
großen Seemächten unserer Tage, mit England und der nordamerikani- 
schen Union, ist Venedig allerdings nicht zu vergleichen, übertraf aber 
wohl das in der alten Welt gepriesene Tprus, das gleichfalls seiner Zeit 
den Verkehr zwischen Asien und Europa, sowie mit einem Theile Afrikas, 
namentlich Aegyppten, vermittelte, und wie Venedig auf einem kaum be- 
achteten Eilande, dem Asple vom Festlande vertriebener Flüchtlinge, zur 
Handels= und Seemacht heranwuchs. 
Entstehung und Wachsthum Venedigs vom 5.—10. Jahrhundert. 
Nach der glaubwürdigen Sage flüchteten sich auf die Inseln in den 
Lagunen vor der Mündung der Brenta und Piave, die früher wohl nur 
einzelnen Fischerfamilien zum Aufenthalte dienten, zahlreiche Bewohner 
des italienischen Festlandes, das von dem alten Volke der Veneter den 
Namen hatte, als Attila mit seinen Horden Oberitalien heimsuchte, und 
sie waren um so eher zur dauernden Ansiedlung veranlaßt, weil Ober- 
italien auch später noch geraume Zeit von wandernden Barbaren heim- 
gesucht wurde. Die Inselngemeinde erscheint hierauf als ein Bestand- 
theil des Gebiets von Padua, der allmählig erstarkt sich selbstständig 
machte, sich durch freigewählte Obrigkeiten (Tribunen) regierte und den 
wechselnden Beherrschern Italiens huldigte. Nach der longobardischen 
Eroberung Italiens war Venedig ein Theil des byzantinischen Erarchats, 
697 wurde ein Doge (dux) an die Spitze der Verwaltung gestellt und 
die richterliche Gewalt den vornehmsten Familien übergeben. Nach ein- 
heimischer Ueberlieferung trotzte es Karl dem Großen längere Zeit, fügte 
sich aber endlich und huldigte bis Otto III. jedem abendländischen Kai- 
ser, behauptete aber thatsächlich um so leichter eine unabhängige Stel- 
lung, als es bei den Byzantinern immer Unterstützung gegen die abend- 
ländischen Kaiser fand. Naturgemäß entwickelte es sich mehr und mehr 
als Seemacht, vertrieb im 10. Jahrhundert die normannischen Seeräu- 
ber aus dem adriatischen Meere und nahm dalmatische Städte in seine 
Schutzherrlichkeit auf, wozu der byzantinische Kaiser seine Bestätigung 
gab, als ihm die Venetianer gegen die sicilischen Normannen beistanden. 
Er gewährte ihnen auch einige Handelsvortheile, so daß sie schon frühe 
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