Verbreitung des Christenthums in dem heidnischen Deutschland. 33
Stammeltern, von ihrem Ungehorsam und dessen Strafe, von dem Ab-
falle des Menschengeschlechts und der Sündfluth, von dem abermaligen
Verderben der Menschheit, von der Erwählung Abrahams und der Ver-
heißung und von den Schicksalen des aus ihm entsprossenen Volkes.
Wie dann nach dem Rathschlusse Gottes die Verheißung in Erfüllung
gegangen und der Heiland erschienen sei, wie er gelehrt und gelitten,
auferstanden und in den Himmel aufgefahren sei;z einst am Ende der
Tage werde er wieder als Richter kommen, und dann ewig wehe dem,
der seine Gnade ausschlug und bei den falschen Göttern blieb. Die
Worte dieser Glaubensprediger verhallten nicht, viele tausend Heiden
ließen sich taufen und entsagten den falschen Göttern. Daß diese neuen
Christen in ihrer Glaubenslehre nicht besonders bewandert waren, ist
wohl ganz natürlich; es gab ja noch keine Kirchen oder doch nur außer-
ordentlich wenige, die Bekehrten konnten also nicht jeden Sonntag in
christlichen Unterricht genommen werden; christliche Bücher konnten die
Glaubensboten ihnen auch nicht geben, weil sie mit der Hand geschrieben
werden mußten und daher sehr theuer kamen, und ohnehin konnten
unsere Vorfahren nicht lesen und hatten keine Schulen, um es zu lernen,
wenn sie etwa gewollt hätten. Damals wurde der Grundstein gelegt,
auf den die spätere Zeit weiter bauen sollte und soll. Die Neubekehrten
behielten die wichtigsten Glaubenslehren, z. B. von dem dreieinigen Gotte,
an was sie das Bekreuzen immer erinnern sollte; sie erlernten das christ-
liche Glaubensbekenntniß, das Gebet des Herrn u. s. w. Es war
eigentlich doch alles gewonnen, daß unsere Vorfahren die christliche Re-
ligion als die Religion des Lebens erkannten und die Götzen verließen.
Die Menschenopfer nahmen ein Ende, die Leibeigenen traten in die
christlichen Menschenrechte ein und ihr Loos wurde allmählig ein besseres;
die Milderung der Sklaverei und die allmählige Aufhebung derselben ist
eines der großen Verdienste, welche sich die Kirche um die Menschheit
erworben hat; denn in keinem Jahrhunderte verlor sie die geknechtete
Menschheit aus dem Auge und strebte immer, dieselbe durch die Wahr-
heit frei zu machen.
Die Glaubensboten blieben meistens bei den Bekehrten bis zu ihrem
Lebensende, das bei ihnen, wenn nicht gewaltsamer Tod sie hinwegraffte,
fast durchgehends über die gewöhnlichen Gränzen des Menschenlebens
binausreichte. Sie waren deren Erzieher und Wächter; manches mußten
sie aus Vorsicht verbieten, was an und für sich unschädlich war, z. B.
den Alemannen das Pferdefleisch, denn diese hatten sonst den Göttern
Pferde geopfert und der Genuß dieses Fleisches war deßwegen immer
mit abgöttischen Gebräuchen verbunden. Winfried verbot den Genuß
des rohen Fleisches überhaupt, weil diese Nahrung eine thierische ist und
den Menschen thierisch macht. Die Missionäre zeigten, wie Feldfrüchte
Bumüller, Mittelalter. 3