Full text: Die Weltgeschichte. Zweiter Theil. Das Mittelalter. (2)

36 Das Christenthum unter den Germanen und Slaven. 
gleich Abt von St. Gallen. Die Schulzucht war sehr streng und die 
Ruthe wurde nicht gespart. Es mag auch wohl nothwendig gewesen sein; 
denn die Knaben, welche auf dem elterlichen Hofe unter dem Gesinde 
aufwuchsen, mit Jagdhunden, Stoßvögeln und Rossen am frühesten um- 
gehen lernten, mochten sich wohl schwer auf die Schulbänke und in eine 
genaue Ordnung fügen. Ein solcher Zögling zündete einmal das Stift 
an, als er auf den Dachboden nach Ruthen geschickt wurde. 
Dieses Kloster und andere (z. B. Reichenau, Fulda, Korvei, Prüm, 
Münster, Lützel, Weißenburg, Kremsmünster, St. Florian, Benedikt- 
beuern 2c.) waren die Bildungsstätten, aus denen die tüchtigsten Geist- 
lichen und Bischöfe hervorgingen. In ihnen erhielt sich die Liebe zur 
Wissenschaft, und ihnen verdanken wir es größtentheils, daß uns nicht 
alle Bücher der Alten verloren gegangen sind. 
Auch die Künste fanden in den Klöstern fast ihre einzige Pflege, 
denn nahezu alle Baumeister, Erzgießer, Holzschnitzer, Maler und Musitker 
waren Mönche oder wenigstens Zöglinge von Mönchen. Selbst die hand- 
werksmäßigen Künste, z. B. die Glaserei, Tischlerei u. s. w., wurden 
durch die Laienbrüder in den Klöstern vervollkommnet. Im Acker= und 
im Gartenbau gingen die Klöster mit dem guten Beispiele voran, und 
den Obstbau verdankten unsere Vorfahren geradezu den Mönchen. 
Nach und nach entstanden noch viele andere Klöster, auch solche von 
anderen Orten und anderer Bestimmung, Männer= und Frauenklöster. 
Das Besitzthum aller Klöster mehrte sich mit der Zeit, und zwar aus sehr 
verschiedenen Gründen. Der erste und wichtigste ist dieser: Viele Men- 
schen hatten in jener Zeit den festen Glauben, daß es ein Gott wohl- 
gefälliges Werk sei, ein Kloster zu stiften oder zu unterstützen, damit 
ein Ort weiter sei auf der Welt, wo Tag und Nacht Gebet und Lob- 
gesang zu Gott emporsteige. Andere stifteten, um Uebelthaten zu fühnen, 
welche sie selbst oder ihre Angehörigen begangen hatten. Ferner gingen 
viele Leute in die Klöster und brachten Gut mit, andere aber vermach- 
ten dorthin mit der Bedingung, daß jedem ihrer Nachkommen das un- 
bestreitbare Recht zustehe, in das Kloster einzutreten; für solche war 
demnach das Kloster eine Versorgungsanstalt. Viertens: Viele Freie, 
die sich vor der Gewaltthätigkeit der Mächtigen fürchteten, begaben sich 
unter den Schirm von Stiften, indem sie an dieselben gern einen mäßigen 
Zins abtrugen; unter dem Krummstab ist gut wohnen, hieß das alte 
Sprichwort. Dadurch wurden die Stifte Herrschaften, die Aebte Herren 
über Land und Leute; sie mehrten ihr Gut auch durch Kauf, während 
viele Adelige verdarben. So brachten es die Zeitverhältnisse mit sich, 
und wer es den Klöstern zum Vorwurf macht, daß sie große Grundbe- 
sitzer wurden, der verargt ihnen, daß sie überhaupt eristiert und eine 
große Aufgabe in der Christenheit übernommen und gelöst haben.
	        
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