68 Das heilige römische Reich deutscher Ration.
in letztern Prätendenten auf die fränkische Krone heranzuziehen. Außer-
dem war Desiderius mit dem Bayerherzog Thassilo verschwägert und
verbündet, und beide gingen darauf aus, die Feinde des fränkischen
Namens zu Hilfe zu rufen. Im Jahre 773 zog Karl gegen die Longo-
barden, erstürmte die Alpenpässe Mont Cenis und Gr. Bernhard, eroberte
ohne viele Mühe die festen Städte und setzte den Desiderius ab (774).
Karl machte sich zum König der Longobarden, ließ ihnen jedoch alle ihre
Gesetze und Einrichtungen, und erst als sie einen Aufstand versuchten,
führte er die fränkische Heer= und Gerichtsordnung bei ihnen ein. Den
Geschichtschreiber der Longobarden, Paul Warnefried (Diakonus), der
an der Verschwörung Theil genommen, begnadigte er, weil es Schade
wäre, Hände abzuhauen, die so Schönes geschrieben hätten. Die Schenkung,
des Erarchats bestätigte er und vermehrte sie; der Herzog von Benevent,
der Herr des südlichsten Ausläufers des Longobardenreichs, behielt seine
Wäürde, mußte aber Karls Oberhoheit anerkennen.
Bayern dem Frankenreiche einverleibt (788).
Dem Herzog Thassilo von Bayern hatte Karl seine Theilnahme
an dem Longobardenkriege verziehen; als dieser aber die heidnischen
Awaren und Slaven, die Byzantiner und Beneventiner zum Kriege
gegen Karl reizte, ließ er ihn durch einen Reichstag als Verräther er-
klären, nahm ihn mit seiner Familie gefangen und sperrte alle in Kloster
(788), in welchen das Geschlecht der Agilolfinger ausstarb.
Vernichtung der Awaren (791—799). Oesterreich.
Die Awaren, ein wildes türkisches Volk, wohnten in Ungarn und
in Oesterreich bis an die Enns, die baperische Gränze. Ihre Lager
hatten sie mit tiefen Gräben und 20 Fuß hohen Erdwällen umgeben,
diese selbst mit dichtem Dorngebüsche bepflanzt und nur wenige Zugänge
offen gelassen. Die größten dieser Lager, von den Deutschen „Ringe“
genannt, maßen sieben geographische Meilen im Durchmesser; die Woh-
nungen waren so weit von einander entfernt, daß ein Nachbar noch den
Ruf des andern hören konnte; ein solcher Ring war in Oesterreich un-
weit Krems an der Mündung der Kamp; ein anderer zwischen Tuln
und Königsstätten, der größte zwischen der Raab und Drau, ein anderer
zwischen Donau und Theiß. Hinter solche Schutzwehren bargen die
Awaren ihren Raub und glaubten sich gesichert. Aber Karls Sohn
Pipin, dem die Leitung des Krieges anvertraut wurde, durchbrach in
sieben Feldzügen (791—799) die Ringe, seine Krieger vertilgten das
Raubvolk und eroberten so große Reichthümer, daß Gold und Silber
für die Franken keinen so hohen Werth mehr hatten und übermüthig
mit diesen Metallen umgegangen wurde. Das Land von der Enns bis