Full text: Tagebuchblätter. Dritter Band. (3)

96 Achtundzwanzigstes Kapitel Okt.—Nov. 1882 
wenig Umgang für mich und meine Frau gefunden habe. Ich werde 
noch in den Februar hinein verweilen, um mich mündlich vom Chef 
verabschieden zu können, gedenke aber jedes Jahr ein paarmal 
herüberzukommen und ihn zu besuchen. In der Zwischenzeit werde 
ich mir dann und wann erlauben, ihn, Bucher, um Rat, Auf- 
klärung und Material in politischen Angelegenheiten zu bitten, und 
andrerseits, wenn er selbst etwas in die Presse zu bringen vorhätte, 
immer zu seiner Verfügung stehen wie vor 1878. Sollte der Kanzler 
einmal abgehen, so würde ich ihm ohne Verzug schreiben, daß 
er auf meine Dienste zählen könne. Bucher fand das in der 
Ordnung. 
Dienstag, den 10. Oktober waren Bucher und der Staats- 
rat Viktor von Hehn zu Abend bei uns, um mit mir einige 
Sorten griechischen Weines zu probieren, die ich kurz vorher be- 
kommen hatte. Bei dieser Gelegenheit erzählte Hehn als Beweis, 
wie schwer das Russische zu erlernen sei, mit dem Bucher sich vorher 
vergeblich beschäftigt zu haben erklärt hatte: „Der bekannte Göttinger 
Mathematiker Gauß empfand einmal das Bedürfnis, seiner ab- 
strakten Beschäftigung in sich ein Gegengewicht zu schaffen. Es 
präsentierten sich ihm zu diesem Zwecke die russische Sprache und die 
massenhaften und vielgliedrigen Pflanzenbezeichnungen des Linneschen 
Systems. Er entschloß sich, diese auswendig zu lernen und eignete 
sie sich wirklich an. Das Russische war ihm zu schwierig vorge- 
kommen.“ Bucher teilte folgende hübsche Geschichte mit, die Bismarck 
ihm während seines letzten Aufenthaltes in Varzin erzählt hatte. 
„Als der alte Rothschild zweiundachtzig Jahre alt war, begann er 
zu kränkeln, und als der Arzt der Familie erschien, äußerte er die 
Befürchtung, es werde jetzt wohl mit ihm zu Ende gehen. Eis, 
warum denn? versetzte der Doktor. Sie haben ja kein chronisches 
Leiden und sind eigentlich ganz gesund; Sie könnens auf hundert 
Jahre bringen. Der Baron schüttelte aber den Kopf und erwiderte: 
(Wenn Gott der Herr mich kann haben zu zweiundachtzig, warum 
soll er mich da nehmen zu hundert?“ 
Montag, den 27. November 1882 war ich früh bei Bucher, 
um ihm ein Paket mit zwei Aufsätzen und einen Brief zur Be- 
förderung an den Fürsten in Varzin zu übergeben. Der Brief, 
den er ebenso wie das übrige zu besorgen versprach, lautete:
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.