Full text: Tagebuchblätter. Dritter Band. (3)

110 Neunundzwanzigstes Kapitel 
Persönlichkeit überwog, und er begann die Agitation mit der Hoff— 
nung, die er oft gegen seine Freunde aussprach, noch des Sieges 
sich zu freuen. Er begann sie als eine politische (durch Vorträge 
in den Bezirksvereinen über Verfassungswesen), leitete sie aber nach 
Jahresfrist auf das wirtschaftliche Gebiet. An der ersten habe ich 
mich gar nicht beteiligt, an der letztern durch eine kurze Zusammen- 
fassung dessen, was ich seit Jahren gegen die Manchesterschule ge- 
schrieben hatte. 
„Von den Vorgängen der letzten vier Wochen seines Lebens 
habe ich erst nach seinem Tode erfahren. 
  
„Sein Testament ist voll von Beweisen freundschaftlicher Zu- 
neigung zu mir, brachte mich aber in eine höchst schwierige Situation. 
Seine Intestaterben, Mutter und Schwester, die ich ihn nie anders 
als mit kindlicher und brüderlicher Liebe hatte behandeln sehen, waren 
an dem Totenbette mit der Frau Gräfin Hatzfeldt und dem Obersten 
Rüstow in einen heftigen Konflikt geraten. Die Mutter, vor dem 
Testament hier eintreffend und dessen Echtheit und Rechtsbeständig- 
keit bestreitend, setzte sich als Intestaterbin in den Besitz des Nach- 
lasses. Es entspann sich ein Prozeß, der um deswillen sehr weit- 
läufig und von einem ungünstigen Ausgange zu werden drohte, 
weil die Genfer Behörden sich weigerten, das Original des Testa- 
ments zur Rekognition oder Vergleichung der Handschriften hierher 
zu schicken. Als Testamentsexekutor hatte ich den letzten Willen 
gegen die Intestaterben zu vertreten; aber ich hatte weder Beruf 
noch Neigung, mich in die persönlichen Zwistigkeiten zu mischen, 
und so sehr ich die Verpflichtung fühlte, die nächste Freundin meines 
verstorbnen Freundes nicht im Stiche zu lassen, so konnte ich doch 
mir selbst nicht verhehlen und habe es seit dem Herbste v. J. der 
Frau Gräfin nicht verhehlt, daß bei den Verhältnissen, die zwischen 
ihr und dem Verstorbnen bestanden, z. B. bei der Gemeinschaftlichkeit 
des Besitzes oder wenigstens des Gebrauchs von Mobiliarstücken ein 
Konflikt der Ansprüche zwischen ihr und den Testamentsexekutoren, 
wenigstens theoretisch, eintreten könnte. 
„Nachdem die Frau Gräfin jenen antiken Leichenzug von Genf 
nach Düsseldorf geführt hatte, versenkte sie sich hier, umgeben von
	        
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