Full text: Tagebuchblätter. Dritter Band. (3)

216 Zweiunddreißigstes Kapitel 27. Jan. 1887 
gelegenheit. Auch er vertraut mir und hat Ursache, an meine 
Billigkeit zu glauben. Ich sagte ihnen, ich würde noch weiter gehen, 
und meinte damit, ich würde selbst einen päpstlichen Nuntius in 
Berlin gern sehen. Aber der Kaiser will nicht, der denkt, da muß 
er auf seine alten Tage noch katholisch werden. Auch die Minister 
sind dagegen, aber ohne Grund. Ich fürchte mich nicht, im Gegenteil, 
es würde dadurch besser werden. Jetzt ist Windthorst der Nuntius, 
der Vater der Lügen. Wir wissen jetzt genau, wie ers mit Rom 
treibt, wir haben Briefe von ihm in den Händen. Ein wirklicher 
Nuntius könnte nicht so lügen gegen uns und den Papst, der wohl- 
wollend und vernünftig ist. Er wäre ein kirchlicher Diplomat, der 
keine andern Ziele als kirchliche hätte und sich bei der Regierung 
nicht um den Kredit bringen und unmöglich machen dürfte. Er 
hätte die Funktionen seines Auftraggebers auszuführen, aus Rom, 
nicht aus Gmunden, und das wären friedfertige Instruktionen, förder- 
lich für den Bestand des Reichs, wie jetzt der Wunsch des Papstes, 
daß das Zentrum für die Militärvorlage stimmt.“ Ich: „Ich dachte 
vorhin eigentlich an den Kaiser und Ihr Verhältnis zu ihm.“ Er: 
„Auch mit dem stehe ich schon lange aufs beste, und wir sind, 
abgesehen von der Nuntiatur, in allen Stücken einer Meinung 
und eines Willens. Und der Kronprinz ist jetzt auch ganz, was 
ich wünschen muß, und sie ist mir gleichfalls vollkommen wohl- 
gesinnt.“ Ich: „Die Gladstonianerin? Das ist ja hocherfreulich.“ 
Er: „Ja, die denken jetzt ganz verständig. Die haben keine Ver- 
änderung im Sinne, wenn der alte Herr einmal gehen muß, und 
haben mirs oft schon gesagt. Sie haben nur noch Furcht, daß ich 
nicht bleiben will. Und ich möchte wirklich manchmal, es wäre nicht 
so, ich möchte lieber fort und meine letzten Tage in Friedrichsruh 
zubringen und den Dingen bloß zusehen.“ Ich: „Und den Doktor 
Busch, wie Durchlaucht vor drei Jahren dachten, meine Papiere 
ordnen lassen.“ Er: „Auch das, ja. Aber solange noch ein preußischer 
König mich braucht und behalten will, muß ich bleiben.“ Ich: „Und 
Ihr Werk würden Sie doch auch nicht im Stiche lassen und in die 
Hände von Leuten wie Virchow und Forckenbeck fallen sehen wollen. 
Sie sprachen zu mir einmal von Götz von Berlichingen und Metzler, 
dem Bauernanführer.“ Er: „Daß ich wenigstens das Schlimmste 
verhüten könnte, wenn ich bliebe. Ein solcher Fall ist jetzt nicht
	        
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