Full text: Tagebuchblätter. Dritter Band. (3)

In den Kreisen der Gothaner 367 
allerlei Dinge seine Gedanken auszutauschen. Namentlich aber be— 
sprach man die politischen Fragen und Sorgen der Zeit, und nach 
dem Geiste, in dem dies geschah, hielt die böse Welt sich für be— 
rechtigt, diese Tafelrunde deutscher Patrioten „die preußische Ver- 
schwörung“ zu taufen. Sehr leichtfertig, schon wenn man sich an 
den eben gemeldeten Ursprungsort der Vereinigung erinnerte. Nicht 
viele Männer waren es, die sich hier zu zwangloser Unterhaltung 
und gegenseitiger Erbauung trafen, etwa so viele, wie ein recht- 
schaffner runder Tisch von Mittelgröße, wenn die Gäste artig zu- 
sammenrücken, zuläßt. Aber es war eine angenehme Mischung der 
verschiedensten Stände, Kräfte und Erfahrungen, und es gab unter 
den Mitgliedern der Gesellschaft Namen vom besten Klange. Man 
hörte manche kluge Rede, manch warmes Wort. Gute Laune würzte 
das Gespräch mit ergötzlichen Einfällen. Wir hatten da unter uns, 
wie der humoristische Poet behauptete: 
Geistvollste Blicke, Glanzmomente, 
Gemüt, Charakter und Verstand. 
Alle Berufsarten und viele deutsche Landschaften hatten dem 
„Kitzing,“ wie wir unsern Klub nannten, werte Teilnehmer gestellt. 
Die Schule war da und die Universität, die Rechtsgelahrtheit, die 
Botanik und die Geschichtschreibung, Kaufmannschaft und Buch- 
handel, Verwaltung und Vertretung der Stadt, der „hohe“ Land- 
tag, die dramatische und die epische Poesie, Kritik und Publizistik; 
auch das Handwerk fehlte nicht. Selbst die Diplomatie glänzte im 
System der Genossen, und sogar durch ein Doppelgestirn. Die 
Mehrzahl der Freunde waren Leipziger; unter ihnen waren der 
frühere zweite Bürgermeister der Stadt und dessen späterer Nach- 
folger. Andre waren Dresdner, darunter Heinrich von Treitschke, 
der damals seiner glänzendsten Periode als streitbarer Redner und 
Essayist nahe war. Wieder andre gehörten ihrer Heimat nach einer 
weitern Ferne an, wie Schmidt, der Ostpreuße, und Freytag, der 
Schlesier. Die Schweiz hatte Salomon Hirzel, den Goethekenner, 
gesandt. England hospitierte in der Person seines Generalkonsuls. 
Crowe, des vielgewanderten, auf den Schlachtfeldern der Krim und 
Italiens ebenso wie in den friedlichen Stätten niederländischer und 
romanischer Kunst bekannten Schriftstellers. Es war in der That
	        
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