382 In den Kreisen der Gothaner
tag sich selbst den Rücken decken müssen; denn er ist in der Lage,
sich daran zu erinnern, daß die Landesregierungen selbst in einigen
Staaten, in denen seine Mitglieder die Majorität der Volksvertreter
umfassen — beide Hessen, Nassau, Braunschweig, Hannover —, im
Notfalle Minoritätswahlen veranlassen und durch diese ein Parla—
ment beschicken können.
„»Man darf deshalb gar nicht für unmöglich halten, daß der
Fürstenkongreß das positive Resultat hat, eine Volksvertretung des
Bundes einzuleiten, die das Bewilligungsrecht über etwa sieben
Millionen Bundesgelder und Mitwirkung bei der Bundesgesetz—
gebung auch mit dem Rechte der Initiative hat. Wie die deutsche
Nation sich zu diesen Reformationsideen der Fürsten schließlich stellen
wird, das wird zumeist davon abhängen, wie in dem preußischen
Staate der Verfassungskampf sich stellt. Nicht mehr die preußische
Regierung hat die Hauptstimme bei der Frage über die Zukunft
Deutschlands, wohl aber das preußische Volk.““
Das war — auch eine Ansicht, aber nicht die meinige. Sie
wurde später von Freytag in unserm Klub mündlich vertreten und
ausführlich besprochen. Treitschke widerlegte sie in glänzender Rede,
die, wie es schien, die große Mehrzahl von uns überzeugte, daß
der Verteidiger des Projektes nicht auf dem rechten Wege gehe.
Mich aber brachte der Vorfall auf Gedanken, die der Anfang zu
einer neuen Wandlung meiner Überzeugungen wurden. Das durch
Bismarck herbeigeführte Scheitern der Frankfurter Reform bestärkte
mich darin. Doch bedurfte es noch weiterer Erfahrungen, bevor
ich an ihn mehr glaubte als an die alten Freunde.