68 Achtundzwanzigstes Kapitel 2. Dez. 1881
In diesem Augenblicke rief Theiß ins Zimmer: „Der Herr
Minister Maybach!“ Ich erhob mich, nahm das Heft der Fleischer-
schen Revue mit den grauen, roten und blauen Strichen und Glossen
des Kanzlers, das er mir gegeben hatte, unter den Arm und wollte
gehen. Doch fragte ich noch: „Darf man wissen, ob Gambetta bei
Ihnen gewesen ist, Durchlaucht?'“ — „Nein,“ entgegnete er. „Er
hats ja selbst gesagt, und es ist auch so. Aber daß er an einen
Besuch in Varzin gedacht hat, geht aus seiner Reise bis Danzig
hervor. Er wird sich da wohl anders besonnen haben, oder man
hat ihm aus Paris geschrieben, daß es dort keinen guten Eindruck
machen würde.“ Als Maybach darauf hereinkam, sagte der Kanzler:
„Wir sprachen eben von Gambetta. Meine Sache war es nicht,
seinen Besuch bei mir in Abrede zu stellen. Man hätte da meinen
können, ich hätte was gegen ihn, wollte mich dagegen verwahren,
was doch gar nicht so gewesen wäre.“
Ich empfahl mich nun und brachte das Gehörte sofort zu Papier.
Die erste auf die Wahlergebnisse bezügliche Hälfte wurde dann zu
einem Artikel: „Die Kanzlerkrisis“ verarbeitet, der in Nr. 48 der
Grenzboten erschien, die Kritik der Unruhschen Memoirenfragmente
zu einem zweiten, der unter der lberschrift: „Unruh über Bis-
marck“" in Nr. 49 abgedruckt wurde.
Nachdem ich Abdrücke hiervon und von einem dritten Artikel:
„Vom Reichskanzler und vom Reichstage“ erhalten hatte, gab
ich alle drei Aufsätze am 2. Dezember mittags im Palais des Fürsten
zur Beförderung an diesen ab. Eine Stunde nachher schon bekam
ich aus der Reichskanzlei folgenden Brief:
„Berlin, 2. Dezember 1881.
Sehr geehrter Herr Doktorl!
Im Auftrage des Herrn Reichskanzlers beehre ich mich, Sie
ganz ergebenst zu ersuchen, sich gefälligst heute bis fünf Uhr nach-
mittag zu Seiner Durchlaucht bemühen zu wollen. Der Herr Reichs-
kanzler äußerte dabei, daß der ihm von Ihnen vorgelegte Artikel
in der vorliegenden Form unmöglich veröffentlicht werden könne.
In besondrer Hochachtung
ganz ergebenst
Sachsse."