Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

VIII Vorbemerkung 
Kabinett, sondern im Arbeitszimmer und im vertrauten Verkehr mit 
seinen Getreuen zu Hause bei sich, kurz in einer Umgebung, wo er 
sich wie jeder frei und ungezwungen äußerte, wo er rückhaltlos und 
wohl auch rücksichtslos seiner Stimmung und Verstimmung, seinem 
Verdruß und Zorn Ausdruck gab, wo er über Personen und Dinge 
mit schneidender Schärfe, oft wohl auch einmal ungerecht urteilte. 
Niemand wird ein solches Urteil als objektive historische Wahrheit 
auffassen, niemand wird in jedem rasch hingeworfnen Satze ein Dogma 
sehen. Und wollten wir den Fürsten Bismarck uns immer nur als 
den großen Streitredner und den genialen Staatsmann vorstellen, so 
würden wir ein höchst einseitiges, also ein falsches Bild von ihm ge- 
winnen; erst wenn wir ihn auch als Menschen in seiner alltäglichen 
Arbeit und Umgebung kennen lernen, haben wir ein vollständiges, 
also ein richtiges Bild des gewaltigen Mannes. Und wer wollte 
sie missen, die Blicke in diese Seele voll genialer Gedanken, voll 
Stolz, Zorn, Leidenschaft und Haß, aber auch voll guter Laune, 
voll heißer Vaterlandsliebe, altgermanischer Königstreue und tiefer, 
ehrlicher Frömmigkeit! Wie er da immer wieder scherzt und spottet 
oder klagt und zürnt und doch trotz aller Ermüdung niemals die 
Hand vom Ruder läßt, weil er es für sündhaft hält, seinen 
greisen König zu verlassen! Er selbst, der immer alle Pose haßte 
und eifrig bemüht war, Legenden um seine Person zu zerstören, 
er hat niemals seine Gestalt nur von der einen Seite zeigen 
wollen, weder in seinen „Gedanken und Erinnerungen,“ noch in 
dem, was er andre von sich veröffentlichen ließ, ohne seine Ver- 
antwortung, aber meist auch ohne Widerspruch. Verkleinert wird 
sein Bild durch solche Züge wahrhaftig nicht, sondern uns nur 
menschlich näher gerückt: er wird uns so erst verständlich und 
nur noch teurer, denn die wahre Größe gewinnt in der Nähe, nur 
die falsche Größe verliert. Ahnlich ist es mit seiner Sprache. Er 
konnte sich je nach den Umständen vornehm und gewählt oder drastisch 
und populär ausdrücken, gerade wie sein Lieblingsdichter Shake-
	        
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