74 Drittes Kapitel 14. August
In Herny angelangt, sahen wir, daß der Kanzler im ersten
Stock eines langen, niedrigen, weißgetünchten Bauernhauses etwas.
abseits von der Hauptstraße Wohnung genommen hatte, wo sein
Fenster auf die Düngerstätte hinausblickte. Das Haus war ziemlich
geräumig, und so zogen wir sämtlich zu ihm, ich wieder mit Abeken
zusammen. Hatzfeldts Stube war zugleich das Büreau. Der König
hatte sein Quartier beim Pfarrer gegenüber von der hübschen alter-
tümlichen Kirche, deren Fenster Glasmalereien zeigen. Das Dorf ist
eine breite, langgestreckte Gasse mit einem gutgebauten Majrie-
gebäude, das zugleich die Gemeindeschule enthält, und mit großen-
teils dicht aneinander stehenden Häusern, die sich unten nach dem
kleinen Bahnhofe des Ortes abzweigt. In dem Stationsgebäude
fanden wir eine arge Verwüstung, herumgestreute Papiere, zerrissene
Bücher u. dergl. Daneben bewachten Soldaten zwei französische
Gefangne. Nach vier Uhr ließ sich mehrere Stunden lang aus der
Gegend von Metz dumpfer Donner wie von Kanonenfeuer hören.
Beim Thee sagte der Minister: „Das hätte ich vor vier Wochen
auch nicht gedacht, daß ich heute mit den Herren meinen Thee in
einem Bauernhause zu Herny trinken würde.“ Dann war unter
anderm von Gramont die Rede, und der Graf wunderte sich, daß
dieser gesunde, kräftige Mann nach solchem Mißglücken seines Vor-
gehens gegen uns nicht in ein Regiment eingetreten sei, um seine
Dummheit zu sühnen. Groß und stark genug dazu wäre er reich-
lich.: „Ich hätte es anders gemacht 1866, wenn es nicht gut ge-
gangen wäre,“ fügte er hinzu. „Ich wäre sofort in ein Regiment
eingetreten; ich hätte mich ja sonst nicht mehr sehen lassen können.“
Als er sich auf sein Zimmer, beiläufig ein niedriges und sehr
ländlich eingerichtetes Stübchen mit wenig Möbeln zurückgezogen hatte,
wurde ich mehrmals zu ihm gerufen, um Aufträge zu empfangen.
Es schien nützlich, unfre illustrierten Blätter zu veranlassen, den
Sturm auf den Spichernberg in Abbildung zu bringen. Ferner
war der Behauptung des Constitutionnel zu widersprechen, nach
der die Preußen auf ihrem Marsche durch Frankreich alles nieder-
1 In Friedrichsruh äußerte Bismarck 22. August 1888 ganz ähnlich über
Gramont: „Er war ein guter Jäger .. Er hätte sich töten lassen sollen, dieser
Mann mit seiner Taille und seiner Gestalt wäre er 1870 in einer Kürassier-
eskadron an seinem Platze gewesen,“ Poschinger, Tischgespräche I, 155.