Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

94 Drittes Kapitel 22. August 
vorgewagt hatte, und daß der Minister das nicht richtig fand. 
Auch Sheridan, der dabei gewesen war, hatte gemeint, ein Feldherr 
solle nie so weit vorgehn, daß er zurückbleiben müsse, wenn seine 
Truppen ferner vorrückten. Über unsre Leute hatte der Amerikaner 
geäußert: „Diese Infanterie ist die beste der Welt; aber die Generale, 
die hier Kavallerie vorschickten, kann ich nicht loben.“ 
Die Rede kam hiernach auf den General Steinmetz, von dem 
der Kanzler sagte, er sei tapfer, aber eigenwillig und über die 
Maßen eitel. Im Reichstage halte er sich immer in der Nähe des 
Präsidentenstuhls auf und stehe, damit man ihn, den kleinen Herrn, 
hübsch sehen könne. Auch kokettiere er, indem er thue, als ob er 
fleißig aufpasse und sich auf ein Papier Notizen mache. „Er denkt da— 
bei offenbar — so schloß diese kleine Charakteristik —, daß die Zeitungen 
davon Notiz nehmen und seinen Eifer loben werden. Irre ich nicht, 
so hat er sich damit auch nicht verrechnet.“ Der Minister irrte 
durchaus nicht; die Presse hatte, wie gewöhnlich, was gewünscht 
und erstrebt wurde, zur Genüge gethan. 
Die Damen in unserm Hause (ich meine das mit dem ethno- 
graphischen Kabinett) waren gar nicht scheu, eher das Gegenteil. 
Sie unterhielten sich mit uns, soweit wir französisch konnten, mit 
erfreulicher Unbefangenheit, und die eine, beiläufig ein recht hübsches 
Mädchen, sah zuweilen ganz so aus, als ob sie sich, wenn Pont 
a Mousson annektiert werden sollte — was in der Familie als 
sicher angenommen zu werden schien —, von dem einen oder andern 
unter uns heiraten lassen würde, ohne sich heftig dagegen zu 
sträuben. 
Montag, den 22. August schrieb ich in mein Tagebuch: 
„Früh mit Willisch wieder baden gegangen, bevor der Chef 
aufgestanden war. Um zehn und ein halb Uhr werde ich zu ihm 
gerufen. Er fragt zuerst, wie mirs gehe, und ob ich nicht auch Anfälle 
von Dysenterie gehabt hätte. Ihm wäre es in vergangner Nacht 
nicht gut gegangen. Der Graf und Dysenterie? Gott behüte ihn 
davor. Es wäre schlimmer als eine verlorne Schlacht. Unfre 
ganze Sache käme darüber ins Wanken und Schwanken.“ 
Ich schicke auf Befehl des Chefs einen Teil eines vertraulichen 
Berichts, wonach der Kaiser Alexander den Franzosen zuneigen 
soll, in Übersetzung an die Kölnische Zeitung und telegraphiere
	        
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