116 Viertes Kapitel 26. August
und dem mir bis dahin unbekannten heiligen Didier geweiht ist.
Sie war offen, und wir traten hinein in die Dämmerung, in der
man Kanzel und Altar nur in Umrissen sah. Die ewige Lampe
warf ihren roten Schein auf die Bilder an den Wänden, und durch
gemalte Fenster fiel ein Restchen Abendlicht auf den Fußboden.
Wir waren allein. Alles um uns war tief still wie eine Gruft.
Nur gedämpft drang von unten her das Stimmengewirr und Räder—
gerassel der Menschenmenge, die den Ort durchflutete, das Tramp
Tramp durchmarschierender Truppen und ihr Hurrarufen vor dem
Hause des Königs zu uns herauf.
Als wir wieder hinunter kamen, zogen gerade die „Maikäfer“
vorbei. Der Minister war fort und hatte hinterlassen, daß wir
ihm ins Hotel des Voyageurs folgen und da mit ihm essen sollten.
Unser Küchenwagen war nämlich erst spät oder noch gar nicht ein—
getroffen. Wir gingen hin und fanden in einem kegelschubartigen
Hinterzimmer, wo alles voll Lärm und Tabakqualm war, am
Tische des Chefs noch Platz und Atzung. Ein Offizier mit langem
dunkelm Bart und einer Johanniterbinde speiste mit uns. Es war
Fürst Pleß. Er erzählte, daß sich die gefangnen französischen Offi—
ziere in Pont a Mousson anmaßend und unverschämt betragen und
die ganze Nacht hindurch gezecht und Hasard gespielt hätten. Ein
General habe durchaus einen besondern Wagen als ihm gebührend
verlangt und ungebärdig gethan, als der ihm natürlicherweise ab-
geschlagen worden sei. Man unterhielt sich dann von den Herren
Franctireurs und ihrer unkommentmäßigen Art, Krieg zu führen, und
der Minister bestätigte, was mir schon Abeken berichtet hatte, daß
er denen, die wir diesen Nachmittag an der Straße getroffen hätten,
sehr ernstlich die Leviten gelesen habe. Er schloß: „Ich sagte ihnen:
Vous serez tous pendus, vous M’'’ötes pas Soldats, vous ötes des
assassins. Der eine fing dann laut zu flennen an.“ Daß der
Kanzler sonst nichts weniger als hart ist, haben wir schon gesehen
und wird sich weiterhin noch mehrmals zeigen.
In unserm Quartier hatte der Chef eine Stube im ersten
Stock inne, Abeken wohnte, glaube ich, in einem Hinterzimmer,
uns andern war in der ersten Etage das Dortoir der zwei oder
drei Pensionäre zugewiesen, die der Schulmeister dem Anscheine nach
bei sich gehabt hatte — ein saalartiger Raum, worin es anfangs