Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

118 Viertes Kapitel 27. August 
überhaupt anspruchsvoller als billig und auch sonst zum Nörgeln 
geneigt, jammerte über diese und andre kleine Mißlichkeiten. Die 
übrigen, darunter der vielgereiste Abeken, schienen sie mit mir guten 
Humors als das Salz unsrer Expedition zu betrachten. Eins jedoch 
ging allen über den Span: das holzstallartige Institut hinter dem 
Schulgebäude, wo die hier hausenden Angehörigen der Nation, die 
an der Spitze der Zivilisation marschiert, bei gewissen Beschwerungen 
Zuflucht suchen. Es war offenbar aus der Türkei importiert, wo ich 
ähnliche Apparate, aber bei weitem nicht so greuelhaft eingerichtet, 
halb verlegen, halb schaudernd gesehen hatte. 
Im Parterre hatte sich das Büreau des Generalstabs ein- 
gerichtet. In den dort befindlichen beiden Schulstuben schrieben 
Fouriere und Soldaten auf den Schultischen und dem Katheder. 
An den Wänden sah man verschiedne Lehrapparate, Landkarten und 
Sinnsprüche, an der einen schwarzen Tafel Rechenexempel, an der 
andern eine auf die böse Zeit bezügliche recht verständige Ermahnung: 
Faites vous une étude de la patience et sachez céder par raison. 
Schon während wir Kaffee tranken, kam der Chef herauf und 
fragte verdrießlich, warum die Proklamation, nach der eine Anzahl 
von Vergehen der Bevölkerung gegen das Kriegsrecht mit dem Tode 
bestraft werden sollte, noch nicht angeschlagen sei. Ich erkundigte 
mich in seinem Auftrage bei Stieber, der sich im untern Teile der 
Stadt einen guten Platz ausgesucht hatte, und bekam die Antwort, 
Abeken habe die Proklamation dem Generalstab übergeben, und er, 
der Feldpolizeidirektor, habe nur solche Bekanntmachungen anzu- 
schlagen, die von Seiner Mjestät ausgingen. 
Als ich dem Kanzler dies meldete, wobei ich zugleich mehrere 
Aufträge erhielt, gewahrte ich, daß er kaum besser untergebracht 
war als wir. Er hatte die Nacht auf einfacher Matratze am Fuß- 
boden geschlafen, seinen Revolver neben sich, und er arbeitete an 
einem Tischchen, auf dem kaum beide Ellenbogen ruhen konnten, in 
der Ecke neben der Thür. Die Stube war auf das notdürftigste 
ausgestattet, von Sofa, Lehnsessel u. dergl. war nicht die Rede. 
  
1 Abeken S. 401, Clermont en Argonne, den 27. August 1870, abends. 
„Wir sind hier im Schulhause tant bien que mal einquartiert, aber wenigstens 
Büreau und alle zusammen. Unten die beiden Schulstuben sind das Büreau des 
Generals Moltke und des Großen Generalstabs."
	        
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