Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

27. August Viertes Kapitel 119 
Der, der seit Jahren die Weltgeschichte machte, in dessen Kopfe ihre 
Strömungen sich konzentrierten, um, nach seinen Plänen verwandelt, 
wieder daraus hervorzugehn, hatte kaum, wo er sein Haupt hin— 
legte, während stupide Hofschranzen in bequemen Himmelbetten vom 
Nichtsthun ausruhten, und selbst Herr Stieber sich viel behaglicher 
zu betten verstanden hatte als unser Meister. 
Ich sah bei dieser Gelegenheit einen in unsre Hände gefallnen 
Brief, der Paris einige Tage vorher verlassen hatte und an einen 
hochstehenden französischen Offizier gerichtet war. Nach dessen Inhalt 
hatte man in den Kreisen, aus denen er stammte, wenig Glauben 
an die Möglichkeit fernern Widerstandes gegen uns und ebenso wenig 
Hoffnung auf die Erhaltung der Dynastie auf dem Throne. Schreiber 
wußte nicht, was er von der nächsten Zukunft erwarten oder wünschen 
sollte. Eine Republik ohne Republikaner, eine Monarchie ohne 
Monarchisten schien die Wahl, vor die er sich gestellt sah. Die 
Republikaner zeigten sich als zu mittelmäßige Geister, die Mon— 
archisten als zu selbstsüchtige Seelen. Man war begeistert von der 
Armee, aber niemand beeilte sich, hinzugehn und sich ihr zur Be— 
kämpfung des Feindes anzuschließen. 
Der Chef kam nochmals darauf zu sprechen, daß die Leistungen 
der Sachsen am Tage von Grovelotte hervorgehoben zu werden 
verdienten. „Besonders die kleinen Schwarzen sollten gelobt werden,“ 
fügte er hinzu. „Sie selbst sprechen in ihren Blättern sehr be— 
scheiden, und doch haben sie sich außerordentlich brav geschlagen. 
Suchen Sie sich doch Details über ihr tüchtiges Verhalten am 18. 
zu verschaffen.“ · 
Im Büreau war inzwischen schon eifrig gearbeitet worden — 
auf der Tischplatte, die eigentlich ihres Zeichens eine Stuben- oder 
Küchenthür war. Räte und Sekretäre schrieben und chiffrierten in 
gespannter Thätigkeit inmitten einer malerischen Unordnung von 
Mappen und Akten, Regenmänteln, Schuh= und Kleiderbürsten, 
Flaschen mit Stearinlichtern, an denen gesiegelt wurde, zerrissenen 
Papieren und aufgebrochnen Couverts, mit denen der Boden bestreut 
war. Ordonnanzen kamen und gingen, Feldjäger und Kanztleidiener. 
Alles redete laut durch einander. Man hatte zu viel Eile, als daß 
man Rücksicht hätte üben können. Abeken schoß besonders lebhaft hin 
und her zwischen dem improvisierten Tische und den Boten, und
	        
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