30. August Fünftes Kapitel 129
hätte — ich hatte sechs Schuß für sie und noch sechs Reserve—
patronen. Endlich kamen die Pferde wieder, und nun machte ich
mich fort, wieder zum König. Aber wir waren aus dem Regen
in die Traufe geraten. An der Stelle, wo wir hinritten, schlugen
gerade die Granaten ein, die vorher über uns weggeflogen waren.
Am andern Morgen sahen wir die Schweinskuhlen, die sie ge—
wühlt hatten.
„So mußte denn der König noch weiter zurück, was ich ihm
sagte, nachdem die Offiziere mir das vorgestellt hatten. Es war
nun Nacht. Der König äußerte, daß er Hunger habe und was
essen möchte. Da gab es aber wohl zu trinken — Wein und
schlechten Rum von einem Marketender —, aber nichts zu beißen
als trocken Brot. Endlich trieben sie im Dorfe ein paar Kote-
letten auf, gerade genug für den König, aber nichts für seine Um-
gebung, und so mußte ich mich nach etwas anderm unsehen.
Majestät wollte im Wagen schlafen, zwischen toten Pferden und
Schwerverwundeten. Er fand später ein Unterkommen in einer
Kabache. Der Bundeskanzler mußte sich wo anders unter Dach zu
bringen suchen. Wir ließen den Erben eines der mächtigsten deutschen
Potentaten (der junge Erbgroßherzog von Mecklenburg war ge-
meint) bei dem Wagen Wache stehen, daß nichts gestohlen würde,
und ich machte mich mit Sheridan auf, um nach einer Schlafstelle
zu rekognoszieren. Wir kamen an ein Haus, das noch brannte,
1 Der König hielt mit seinem Gefolge von fünf bis sieben Uhr nachmit-
tags nordwestlich von Gravelotte, links von dem Wege nach Malmaison und
Vernéville im Felde an der Stelle, die jetzt ein Felsblock mit Inschrift bezeichnet.
Über den hier von Bismarck geschilderten Vorgang sagt Verdy du Vernois
als Augenzeuge (Im Großen Hauptquartier 1870/71 S. 97): „Eine vollständige
Panik lag vor unsern Augen, und manches Gesicht mag wohl in diesem Augen-
blicke einen bedenklichen Ausdruck gezeigt haben. Zunächst mußte der König hier
herausgeführt, mußten die Fliehenden zum Stehen gebracht werden. Alles warf
sich auf die Pferde. Einige von unsern Generalstabsoffizieren eilten nach dem
Dorfe [Gravelotte] hin, um letzteres zu besorgen; wir andern scharten uns um
den General [Moltke), um im Getümmel bei der Hand zu sein. Nachdem der
Weg festgestellt war, auf dem Seine Mojestät zurückreiten sollte, kehrte Moltke
mit uns um und ritt wieder nach Gravelotte zu.“ Die von Bismarck erwähnte
Batterie gehörte zur Artillerie des VIII. Armeekorps. Vgll. Wilmowszki, Feld-
briefe 24 f. Sheridan bei Poschinger, Bismarck und die Parlamentarier I, 282.
Busch, Tagebuchblätter 1 9