144 Fünftes Kapitel 31. August
darunter ein altertümliches, burgartiges mit dicken Ecktürmen, des—
gleichen ein Kanal mit alten Bäumen zu beiden Seiten passiert,
dieser in einer Gegend, durch deren Charakter sich der Kanzler
an belgische Landschaften erinnert fand. In dem einen Dorfe steht
Ludwig Pietsch aus Berlin, vermutlich als Kriegskorrespondent
mitgezogen, am Fenster, sieht mich und grüßt schreiend herunter.
Im nächsten, Chemery, wird eine halbe Stunde Halt gemacht,
indem der König mehrere Infanterieregimenter an sich vorbeidefi-
lieren läßt und die üblichen Hurras in Empfang nimmt.
In Vendresse stieg der Kanzler im Hause der Witwe Baudelot
ab, wo inzwischen auch die andern Herren seiner Umgebung ein-
getroffen waren und sich eingerichtet hatten. Keudell und Abeken,
die von Busanch, wenn ich nicht irre, hierher geritten waren, war
das Abenteuer passiert, daß im Walde hinter Sommauthe oder
bei Stonne plötzlich acht oder zehn französische Soldaten mit
Chassepots vor ihnen aus dem Dickicht hervorgetaucht und wieder
verschwunden waren. Die Herren Räte waren darauf, wie ganz
in der Ordnung, umgekehrt und hatten einen weniger bedenklichen
Weg eingeschlagen. Nicht unmöglich war, daß beide Teile vor
einander das Weite gesucht hatten. Saint Blanquart aber, der
mit Bölsing und Willisch den gleichen Weg gefahren war und die
Erscheinung der verdächtigen Rothosen auch erlebt hatte, war fortan
der Uberzeugung, daß er sein Leben für das Vaterland eingesetzt
habe. Endlich konnten auch Hatzfeldt und Bismarck-Bohlen sich
rühmen, eine hübsche kleine Heldenthat verrichtet zu haben: sie hatten,
wenn mir recht ist, an dem Orte, wo der Kanzler mit den Fürst-
lichkeiten frühstückte, eine flüchtige Rothose, die sich in den Wein-
gärten verkrochen, aufgestöbert und entweder selbst zum Gefangnen
gemacht oder durch andre einfangen lassen.
In Vendresse sah ich zum erstenmale württembergische Soldaten.
Es waren meist schmucke, kräftige Burschen. Ihre Uniform, dunkel-
blau mit zwei Reihen weißer Knöpfe und schwarzem Riemenzeug,
erinnerte an dänisches Militär.