148 Sechstes Kapitel 1. September
unsre Truppen sie hier zu umfassen beabsichtigten. Gegenwärtig
indes gewahrt man deren Heranrücken nur auf der Rechten, indem
sich die Linie ihrer feuernden Geschütze mit Ausnahme der bayrischen
unter unserm Standpunkte, die stehen bleiben, langsam näher und
näher schiebt. Allmählich geht Pulverrauch auch hinter dem Höhen—
zug mit der Schlucht im Mittelgrunde auf, und man erkennt daran,
daß die den Feind einschließenden Korps den Halbkreis, den sie
bilden, stetig weiter zum Kreise zu machen bestrebt sind. Auf der
Linken des Bildes dagegen ist es noch völlig still. Um elf Uhr
steigt auch in der Festung, die beiläufig nicht selbst schießt, eine
schwarzgraue Rauchsäule mit gelben Rändern empor. Jenseits
heftiges Feuern der Franzosen, und über dem Walde der Schlucht
Unaufhörlich zu gleicher Zeit eine Anzahl kleiner, weißer, man weiß
nicht, ob deutscher oder französischer Granatwölkchen. Bisweilen
auch das Geknarr und Gerassel einer Mitrailleuse.
Auf unserm Berge glänzende Versammlung: der König, Bis-
marck, Moltke, Roon, eine Anzahl Fürstlichkeiten, Prinz Karl, die
Hoheiten von Weimar und Koburg, der mecklenburgische Erbgroß-
herzog, Generale, Flügeladjutanten, Hofmarschälle, Graf Hatzfeldt,
der nach einer Weile verschwunden war, Graf Kutusow, der russische,
Oberst Walker, der englische Militärbevollmächtigte, General
Sheridan, sein Adjutant, alles in Uniform, alles mit Feldstechern
vor den Augen. Der König stand, andre, darunter zuweilen auch
der Kanzler, hatten auf einem Rain vor den Stoppeln Platz ge-
nommen. Ich hörte, daß der König habe herumsagen lassen, man
möge nicht in größere Gruppen zusammentreten, weil die Franzosen
in der Festung dann auf uns schießen könnten.
Eben entwickelte sich nach elf Uhr unfre Angriffslinie auf dem
rechten Ufer der Maas durch weiteres Vorrücken um die Stellung
der Franzosen zu engerer Einschließung, und ich verbreitete mich
im Eifer darüber, vermutlich etwas lauter als notwendig und dem
Orte angemessen, gegen Graf Pückler, als der Chef mich mit seinem
scharfen Ohre hörte, sich umsah und mich zu sich heranwinkte.
„Wenn Sie dem Herrn Grafen strategische Ideen zu entwickeln
haben, Herr Doktor — sagte er —, so wäre es gut, wenn das
weniger vernehmlich geschähe; sonst fragt der König, wer das ist,
und ich muß Sie ihm dann vorstellen.“ Bald nachher hatte er