Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

150 Sechstes Kapitel 1. September 
nahe sein; denn man vernahm häufiger als vorher die häßliche 
Stimme der Mitrailleusen, von denen man beiläufig in der Zwischen- 
zeit hatte behaupten hören, sie bellten mehr, als sie bissen. Zwischen 
zwei und drei Uhr nach meiner Uhr ging der König nahe an 
meinem Standpunkte vorüber und sagte, nachdem er durch sein Glas 
eine Weile nach der Vorstadt hingeblickt hatte, zu seiner Umgebung: 
„Sie schieben da links große Massen vor — ich halte das für 
einen Durchbruch.“ In der That rückten dort Infanteriekolonnen 
vor, gingen aber bald wieder zurück, vermutlich weil sie gemerkt 
hatten, daß diese Gegend zwar still, aber keineswegs offen war. 
Kurz darauf sah man durch das Fernglas französische Reiterei auf 
dem Hügelkamme links vom Walde und der Schlucht mehrere An— 
griffe machen, denen Schnellfeuer begegnete, und nach denen, be— 
sonders bei einem auch mit unbewaffnetem Auge sichtbaren halb— 
mondförmigen Wege, der Boden mit weißen Gegenständen, Pferden 
oder Mänteln, bedeckt war. Bald nachher wurde das Artillerie- 
feuer auf allen Punkten schwächer, und die Franzosen gingen überall 
nach der Stadt und ihrer nächsten Nachbarschaft zurück. Sie waren, 
wie soeben angedeutet worden ist, seit einiger Zeit auch von links her, 
wo die Württemberger, die nicht weit von unserm Berge ein paar 
Batterien aufgestellt, und wie es hieß, das fünfte und das elfte 
Armeekorps heranzogen hatten, bis auf eine schmale Lücke nach der 
belgischen Grenze zu eingeschlossen. Nach halb fünf Uhr schwieg 
ihr Geschütz allenthalben, und etwas später verstummte auch das 
unsrige. 
Noch einmal wurde die Szene lebendiger. Plötzlich erheben 
sich erst an der einen, dann an einer zweiten Stelle in der Stadt 
große weißlichblaue Wolken, zum Zeichen, daß es an zwei Stellen 
brennt. Auch Bazeilles steht noch in Flammen und schickt hinter 
dem Horizonte zur Rechten eine Säule dicken graugelben Qualms 
in die klare Abendluft empor. Das brennende Licht des Spät- 
nachmittags beginnt, immer intensiver werdend, das Thal drunten 
zu verklären und zu vergolden. Die Hügel des Schlachtfeldes, die 
Schlucht in deren Mitte, die Dörfer, die Häuser und Türme der 
  
1 Es war der berühmte Angriff, der der zerschlagnen französischen Infanterie 
Luft machen sollte, vgl. Verdy 146.
	        
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