Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

2. September Sechstes Kapitel 157 
der Kaiser fest auf seinem Throne, so wäre mit seiner Dankbarkeit 
für die Gewährung guter Bedingungen zu rechnen. Wie die Dinge 
stünden, würde es Thorheit sein, wenn man seinen Erfolg nicht 
voll ausnutzte. Die Franzosen seien ein neidisches, eifersüchtiges 
Volk. Sie hätten Königgrätz übelgenommen und nicht verzeihen 
können, das ihnen doch nichts geschadet habe, wie sollte irgendwelche 
Großmut von unfrer Seite sie bewegen, Sedan uns nicht nachzu- 
tragen? Wimpffen wollte das nicht Wort haben, Frankreich habe 
sich in der letzten Zeit geändert, es habe unter dem Keaiserreiche 
gelernt, mehr an friedliche Interessen als an den Ruhm des Krieges 
zu denken, es sei bereit, die Verbrüderung der Völker zu pro- 
klamieren und dergleichen mehr. Es war nicht schwer, ihm das 
Gegenteil zu beweisen, und daß seine Forderung, wenn sie be- 
willigt würde, viel eher eine Verlängerung des Krieges als seine Be- 
endigung zur Folge haben werde. Ich schloß damit, daß wir bei 
unsern Bedingungen bleiben müßten. Darauf nahm Castelneau 
das Wort und erklärte im Auftrage des Kaisers, dieser habe am 
Tage vorher dem Könige seinen Degen nur in der Hoffnung auf 
eine ehrenvolle Kapitulation übergeben. Ich fragte: Wessen Degen 
war das, der Degen Frankreichs oder des Kaisers? Er erwiderte: 
Nur des Kaisers. — Nun, dann kann von andern Bedingungen 
nicht die Rede sein, sagte Moltke rasch, indem über sein Raubvogel- 
gesicht ein Zug vergnügter Befriedigung ging. — Wohlan, dann 
werden wir uns morgen noch einmal schlagen, erklärte Wimpffen. 
— Um vier Uhr werde ich das Feuer wieder beginnen lassen, 
versetzte Moltke, und die Franzosen wollten darauf fort. Ich bewog 
sie aber, noch zu bleiben und sich die Sache noch einmal zu über- 
legen, und es kam schließlich dahin, daß sie um eine Verlängerung 
des Waffenstillstandes baten, damit sie sich über unfre Forderungen 
mit ihren Leuten in Sedan beraten könnten. Moltke wollte erst 
nicht darauf eingehn, gab aber endlich nach, als ich ihm vorgestellt 
hatte, daß es nichts schaden könne. — 
„Am zweiten früh gegen sechs Uhr erschien vor meiner Woh- 
nung in Donchery der General Reille und sagte mir, der Kaiser 
wünsche mich zu sprechen. Ich ziehe mich gleich an und setze mich 
beschmutzt und staubig, wie ich war, in alter Mütze und mit meinen 
großen Schmierstiefeln zu Pferde, um nach Sedan zu reiten, wo
	        
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