Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

160 Sechstes Kapitel 2. September 
guten Beziehungen des fürstlich hohenzollernschen Hauses zu ihm 
erwartet, daß dem Erbprinzen eine Verständigung mit ihm leicht 
fallen würde. Dann kam er auf die gegenwärtige Lage zu sprechen. 
Er wollte dabei vor allem eine günstigere Kapitulation. Ich er— 
klärte, auf Verhandlungen hierüber nicht eingehen zu können, da 
dies eine rein militärische Frage sei, bei der Moltke gehört werden 
müsse. Dagegen ließe sich über einen etwaigen Frieden sprechen. 
Er antwortete, er sei Gefangner und folglich nicht in der Lage, 
hier sich zu entscheiden, und als ich darauf fragte, wen er hierin für 
kompetent hielte, verwies er mich an die Pariser Regierung. Ich 
bemerkte ihm, daß sich dann die Dinge seit gestern nicht geändert 
hätten, und daß wir darum auf unsern alten Forderungen in be— 
treff der Armee in Sedan bestehen müßten, um ein Pfand dafür 
zu haben, daß die Resultate der gestrigen Schlacht uns nicht ver— 
loren gingen. Moltke, der mittlerweile, von mir benachrichtigt, ein— 
getroffen war, war derselben Meinung und begab sich zum Könige, 
um ihm das zu sagen. 
„Draußen vor dem Hause lobte der Kaiser unsre Armee und 
ihre Führung, und als ich ihm darauf zugab, daß die Franzosen 
sich ebenfalls gut geschlagen hätten, kam er auf die Kapitulations— 
bedingungen zurück und fragte, ob es nicht möglich sei, daß wir 
die in Sedan eingeschlossenen Korps über die belgische Grenze gehen 
und dort entwaffnen und internieren ließen. Ich versuchte ihm 
nochmals begreiflich zu machen, daß dies eine Sache der Militärs 
sei und nicht ohne Einverständnis mit Moltke entschieden werden 
könne. Auch habe er soeben erklärt, als Gefangner die Regierungs— 
gewalt nicht ausüben zu können, und so könnten Verhandlungen 
über derartige Fragen nur mit dem in Sedan kommandierenden 
Obergeneral geführt werden. 
„Inzwischen hatte man nach einem bessern Unterkommen für 
ihn gesucht, und die Offiziere des Generalstabes hatten gefunden, 
daß das Schlößchen Bellevue bei Fresnois, wo ich ihm zuerst be— 
gegnet war, zu seiner Aufnahme geeignet, auch noch nicht mit Ver— 
wundeten belegt sei. Ich sagte ihm das und riet ihm, dahin über— 
zusiedeln, da es in dem Weberhause unbequem sei, und er vielleicht 
der Ruhe bedürfe. Wir würden den König benachrichtigen, daß 
er dort sei. Er ging darauf ein, und ich ritt nach Donchery zurück,
	        
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