2. September Sechstes Kapitel 161
um mich umzukleiden. Dann geleitete ich ihn mit einer Ehreneskorte,
welche eine Schwadron des ersten Kürassierregiments stellte, nach
Bellevue. Bei den Verhandlungen, die hier begannen, wollte der
Kaiser den König haben — er dachte wohl an Weichheit und Gut—
mütigkeit —, doch wünschte er auch, daß ich teilnehme. Ich da—
gegen war entschlossen, daß die Militärs, die härter sein können,
das allein abmachen sollten, und so sagte ich, als wir die Treppe
hinaufgingen, zu einem Offizier leise, er möge mich nach fünf
Minuten abrufen — der König wollte mich sprechen, was denn
auch geschah. In betreff des Königs teilte man ihm mit, daß er
diesen erst nach Abschluß der Kapitulation sehen könne. So wurde
die Angelegenheit zwischen Moltke und Wimpffen geordnet, ungefähr
wie wir es am Abend vorher gewollt hatten. Dann kamen die
beiden Majestäten zusammen. 1 Als der Kaiser darnach wieder
heraustrat, standen ihm die dicken Thränen in den Augen. Gegen
mich war er ruhiger und durchaus würdig gewesen.“?
Wir hatten von diesen Vorgängen am Vormittage des zweiten
September nichts genaues erfahren, und in der Zeit von dem
Augenblicke an, wo der Chef in guter Uniform, den Kürassierhelm
auf dem Kopfe, aus Donchery wieder wegritt, bis spät in die Nacht
1 Der einzige Mensch, der die beiden Monarchen in diesen denkwürdigen
Augenblicken gesehen und beobachtet hat, war (außer dem Kronprinzen, der aber
vor der geschlossenen Thür stehen blieb, als der Kaiser in voller Uniform den
König „am Eingange des Glaspavillons“ empfangen und hineingeleitet hatte,
Tagebuch vom 2. September) der verstorbne Münchner Schlachtenmaler Heinrich
Lang. Er war, als der Platz vor dem Schlößchen geräumt wurde, in das Im-
perial einer dort stehenden Postkutsche gestiegen und hatte sich da verborgen. Von
diesem Versteck aus konnte er den Kaiser sehen, wie er niedergeschlagen an einem
Tische gesessen hatte und dann dem König auf die Treppe entgegengegangen
war, als dieser kam. Der Einzelheiten erinnere ich mich nicht mehr, da es
lange Zeit her ist, daß mir Lang diese Geschichte erzählt hat. Ich weiß nicht, ob
sie weitern Kreisen bekannt geworden ist, und sie mag deshalb als ein Kuriosum
hier mitgeteilt werden. Der Verleger
2? Abeken 3. September: „Wieder war es ein großer Augenblick, die beiden
zusammentreffen zu sehen, die Heldengestalt unsers greisen Königs und den ge-
beugten Napoleon. — Dort im Hofe schrieb ich das einliegende Blatt mit Blei-
stift, um den denkwürdigen Moment festzuhalten,“ S. 406. Abeken hat also mehr
gesehen als Busch, aber viel weniger geschildert. Ausführlicher Verdy 156.
Wilmowski 40 f.
Busch, Tagebuchblätter 1. 11