Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

3. September Siebentes Kapitel 169 
sicher gefühlt hat. Zu Wimpffen hat der Minister während der 
ersten Besprechung in Donchery unter anderm auch gesagt, er wisse 
recht wohl, daß die Anmaßung und Streitsucht der Franzosen und 
ihr Scheelsehen bei den Erfolgen der Nachbarvölker nicht von der 
arbeitenden und erwerbenden Bevölkerung ausgingen, sondern von 
den Journalisten und dem Pöbel; aber diese beherrschten und zwängen 
die öffentliche Meinung. Deshalb könnten uns die moralischen 
Garantien, auf die der General hingewiesen habe, nichts nützen, viel- 
mehr müßten wir materielle haben, jetzt die Unschädlichkeit der Armee 
in Sedan, dann die großen Festungen im Osten. Die Waffenstreckung 
hat auf einer von den Windungen der Maas gebildeten Halbinsel 
stattgefunden. Bei der Zusammenkunft des Königs mit dem Kaiser, 
vor der Moltke dem König auf dem Wege von Vendresse eine Strecke 
entgegengeritten ist, sind die beiden Souveräne in dem Salon neben 
der verglasten Veranda des Schlößchens Bellevue etwa zehn Minuten 
allein miteinander gewesen. Später hat der König die Offiziere seines 
Gefolges zusammenrufen und ihnen die Kapitulation vorlesen lassen, 
worauf er ihnen mit Thränen in den Augen gedankt hat, daß sie 
dazu mitgeholfen hätten. Den hessischen Regimentern soll der 
Kronprinz gesagt haben, zur Belohnung dafür, daß sie so tapfer 
gefochten hätten, habe der König den gefangnen Kaiser nach Kassel 
geschickt. 
Der Minister speiste in Vendresse, wo wir noch einmal für 
die Nacht Quartier machten, beim König, aß aber dann noch den 
Eierkuchen mit uns. Er las uns eine Stelle aus einem Briefe 
seiner Gemahlin vor, die in biblischen Ausdrücken sehr energisch 
den Untergang der Franzosen hoffte. Er sagte dann nachdenklich: 
„Om, 1866 in sieben Tagen. Diesmal vielleicht siebenmal sieben. 
Ja — wann gingen wir über die Grenze? — Am 4., nein, am 
10. August. — Seitdem sind noch nicht fünf Wochen verflossen. 
Siebenmal sieben — es wäre möglich.“ 
Bloß um einmal zu notieren, wie die Mythe um uns arbeitet, 
und wie grimmig ihre Phantasie ist, verzeichne ich, daß Bohlen 
wissen will, Bazeilles, dessen Einwohner sich in verräterischer Weise 
am Kampfe der französischen Soldaten mit den anrückenden Bayern 
beteiligt hätten — sie hätten bayrische Verwundete ermordet, eine Frau 
habe vier Mann von hinten erschossen u. dergl. —, wäre von unsern
	        
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