Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

4. September Siebentes Kapitel 171 
mit Napoleon zu machen.“) Bald nachher, gegen halb zehn Uhr, 
fuhren die Wagen vor, und die Reise in die Champagne hinein 
begann. 1 Zunächst passierten wir Hügelland, dann eine sanft ge- 
wellte Ebene, wo es viele Obstgärten gab, zuletzt ärmliche Strecken, 
wo selten ein Dorf zu sehen ist. Wir fahren an langen Truppen- 
zügen, zuerst an Bayern, dann am 6. und 50. preußischen Regiment, 
vorüber; Willisch begrüßt in dem letzten seinen Bruder, der die 
Schlacht mitgemacht hat und unverletzt geblieben ist. Ein Stück 
weiterhin nehmen wir, da die Achse eines der Wagen des Prinzen 
Karl in Brand geraten ist, und das Gefährt in einem Dorfe 
zurückbleiben muß, den Stallmeister des Prinzen, Grafen Dönhoff. 
und den Adjutanten des Prinzen Luitpold von Bayern, Major 
von Freyberg, in unfre Kutsche auf, wodurch die Gruppe ihrer 
Insassen erheblich malerischer wird; denn der Graf trägt rote 
Husarenuniform und der Major das bekannte Himmelblau der bay- 
rischen Truppen. Die Tragödie von Bazeilles wird wieder be- 
sprochen, und der Major berichtet über sie wesentlich anders als 
gestern Bohlen. Es sind nach ihm etwa zwanzig Bauern dabei 
umgekommen, darunter eine Frau, aber alle im Kampfe mit den 
heranstürmenden Soldaten. Später wäre noch ein Priester kriegs- 
rechtlich erschossen worden. Der Erzähler scheint indes nicht Augen- 
zeuge gewesen zu sein, und so mag auch seine Version der Geschichte 
noch nicht historisch sein. Von Bohlens „Gehenkten"“ weiß er nichts. 
Es giebt Leute, deren Zunge grausamer ist als ihr Gemüt. 
Ungefähr halb fünf Uhr kamen wir hier in Rethel an. Der Ort 
ist eine Mittelstadt und voll von württembergischem Kriegsvolk. 
Aus den Fenstern des ersten Stocks eines Hauses der Straße, durch 
die wir nach dem Markte fahren, sehen auch gefangne Franzosen 
herunter. Die Quartiermacher haben für uns Wohnungen in dem 
geräumigen und elegant ausgestatteten Hause eines Herrn Duval 
auf der Rue Grand Pont ausgesucht, wo ich neben Abeken ein 
hübsches Zimmerchen mit Mahagonimöblement und ein Himmelbett 
mit gelbseidnen Vorhängen zur Verfügung habe — ein behaglicher 
  
*) Diese sind in das vorige Kapitel verflochten. 
1 Abeken S. 407 aus Rethel, Montag den 5. September morgens: „Gestern 
fuhren wir von Vendresse hierher fünf bis sechs Meilen bei schönem Wetter.“
	        
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