Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

172 Siebentes Kapitel 5. September 
Gegensatz zur letzten Nacht in Donchery. Das gesamte mobile Aus— 
wärtige Amt ist hier untergebracht. Die zahlreiche Familie Duval 
trauert in Krepp und Flor — wenn ich recht hörte, ums Vater— 
land. Abends nach Tische dreimal zum Vortrag beim Chef gerufen. 
Er sagte dabei unter anderm: „Metz und Straßburg ists, was wir 
brauchen und uns nehmen wollen — die Festungen. Das Elsaß 
— er meinte damit offenbar die starke Betonung des Deutschgewesen- 
seins und des Deutschredens der Elsässer durch die periodische 
Presse — ist Professorenidee.“ Später beim Thee, bei dem nur 
Keudell, Bohlen und ich zugegen waren, las er uns wieder aus 
einem Briefe seiner Gemahlin vor, wonach Graf Herbert glücklich 
in Frankfurt a. M. eingetroffen war. 
Inzwischen waren Zeitungen aus der Heimat angekommen. In 
hocherfreulicher Weise gewahrte man, wie sich auch die süddeutsche 
Presse gegen die fremdländische Diplomatie zu verwahren beginnt, 
die den Frieden zwischen uns und Frankreich vermitteln will, und es 
war sicher ganz im Sinne des Chefs gesprochen, wenn der Schwä- 
bische Merkur in dieser Beziehung sagte: „Als die deutschen Völker 
zum Rheine zogen, das heimische Land zu schützen, da hieß es in 
den europäischen Kabinetten, man müsse die beiden Kämpfenden 
allein lassen, auf sich selbst beschränken, den Krieg lokalisieren. 
Wohlan! Wir haben den Krieg gegen die Bedroher Europas allein 
geführt, wir wollen auch den Friedensschluß lokalisieren, wir wollen 
in Paris die Bedingungen, welche das deutsche Volk vor einer Er- 
neuerung eines solchen räuberischen Überfalls, wie es der Krieg von 
1870 gewesen, schützen werden, selbst diktieren, und kein Diplomat 
fremder Mächte, welche die Hände in den Schoß gelegt, soll uns 
dreinsprechen. Wer nichts geleistet, soll auch nichts vermitteln.“ 
„Dieser Artikel muß Junge kriegen,“ sagte der Chef, und er bekam 
Junge. 
Reims, 5. September. Die Franzosen scheinen uns doch 
am Ende nicht alle für Barbaren und Bösewichter zu halten. Manche 
setzen augenscheinlich voraus, daß wir ehrliche Leute sind. So ging 
ich heute morgen in Rethel in ein Wäschegeschäft, um mir Hemd- 
kragen zu kaufen. Der Kaufmann sagte mir den Preis für die 
Schachtel und stellte mir, als ich ihm zwei Thaler hinlegte, einen 
Korb mit Kleingeld hin, damit ich mir selbst nehme, was er darauf
	        
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