Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

7. September Siebentes Kapitel 177 
Der Kanzler wollte darauf kein zu großes Gewicht gelegt wissen. 
„UÜbrigens habe ich diese Einrichtung nicht veranlaßt,“ bemerkte er. 
„Savigny hat den Vertrag abgeschlossen; denn ich lag damals 
schwer krank darnieder.1 Noch weniger genau nehme ichs mit den 
auswärtigen Angelegenheiten der kleinen Staaten. Mit Unrecht wird 
von manchen Leuten viel darauf gegeben und Gefahr in der Bei- 
behaltung diplomatischer Vertreter neben denen des Bundes ge- 
wittert. Wären solche Staaten sonst mächtig, so könnten sie auch 
ohne offizielle Repräsentanten an fremden Höfen Briefe austauschen 
und mündlich gegen das eine und das andre, was wir vorhaben, 
intriguieren. Ein Zahnarzt oder eine andre Persönlichkeit der Art 
könnte das besorgen. Ubrigens werden ihnen die Kammern die 
Ausgaben für solche Luxusartikel bald genug streichen.“2 
Mittwoch, 7. September. Früh einen Gang durch die 
Stadt gemacht. Sie scheint wohlhabend zu sein und hat einige ziem- 
lich vornehme Straßen. Die Läden sind fast ohne Ausnahme offen, 
und einige machen, wie mir vorkommt, recht gute Geschäfte mit unsern 
Offizieren und Soldaten. Auf dem Platze an unfrer Gasse ist ein 
schönes Denkmal Ludwigs des Fünfzehnten. In der Mitte einer 
marktartig breiten Straße, die zu beiden Seiten Arkaden mit Kauf- 
mannsgeschäften und Kaffeehäusern hat, steht ein Standbild des 
Marschalls Drouet von mäßigem Kunstwerte. Auf dem Rückwege 
begegne ich bei der Kathedrale wieder vielen und darunter recht 
originellen Bettlern. Ein kleiner Junge mit einem noch viel kleinern 
auf dem Rücken galoppiert neben mir her und wimmert: Je me 
meurs de faim, M’sieur, je me meurs, donnez-mol un petit sou. 
Ein Mensch ohne Füße rutscht auf den Knieen über das Pflaster, 
während sein Begleiter, Ziehharmonika spielend, Almosen für ihn 
  
1 Bismarck in den „Gedanken und Erinnerungen“ II, 77: „Savigny — 
führte die Verhandlungen mit Sachsen zu Ende, was vor meiner Abreise nicht 
gelungen war. — Die militärische Selbständigkeit Sachsens wurde demnächst unter 
Vermittlung des Generals von Stosch durch persönliche Entschließungen Seiner 
Majestät weiter entwickelt, als sie nach dem Vertrage s'dem Friedensvertrage vom 
21. Oktober 1866] bemessen war.“ Bismarck war seit dem 26. September von 
Berlin abwesend und dann zu anfang Oktober in Putbus auf Rügen schwer er- 
krankt. Erst am 1. Dezember kehrte er wieder nach Berlin zurück. Kohl, 
Bismarck-Regesten 1I, 303 f. 
2 Vgl. G. u. E. 1,60. 
Busch, Tagebuchblätter 1 12
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.