Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

10. September Siebentes Kapitel 181 
ihm, ich weiß nicht mehr, wo, für das große Hauptquartier an— 
geboten worden sei, nicht habe mitnehmen können. Ferner erzählt er, 
daß Napoleon auch zu Boyen gesagt habe, er sei durch die öffentliche 
Meinung zum Kriege gedrängt worden, und daß er unsre Truppen, 
namentlich aber die Ulanen und die Artillerie sehr gelobt habe. 
Der Chef speiste heute beim Könige, kam aber auf eine halbe 
Stunde auch bei uns noch zu Tische, wo Bohlen, der das kaiser— 
liche Schloß Mourmelon bei Chalons besucht hatte, uns vorher 
allerhand Schlimmes von den Verwüstungen erzählte, die das Volk 
an den Möbeln und Spiegeln dort angerichtet habe. Nach dem 
Diner, an dem Boyen und Delbrück teilgenommen hatten, besprach 
sich der Kanzler lange Zeit allein mit den beiden Herren. Später 
ließ er mich rufen, um mir den Auftrag zu erteilen, für die beiden 
hier herauskommenden französischen Blätter Courier de la Cham- 
pagne und Indépendant Rémois ein Communiqué des Inhalts 
zu machen: Wenn die in Reims erscheinenden Blätter mit der Er- 
klärung der Republik in Frankreich einverstanden sind und die neue 
Staatsgewalt dadurch anerkennen, daß sie ihre Erlasse abdrucken, 
so könnte man, da die Stadt von deutschen Truppen okkupiert ist, 
schließen, daß diese Blätter ihre Meinung unter dem Einverständ- 
nisse deutscher Regierungen aussprächen. Dies ist indes nicht der 
Fall. Die deutschen Regierungen achten wie daheim so auch hier 
die Freiheit der Presse. Sie haben aber in Frankreich bis jetzt eine 
andre Regierung als die des Kaisers Napoleon nicht anerkannt. Sie 
können daher bis auf weiteres auch nur die kaiserliche Regierung 
als eine zu internationalen Verhandlungen berechtigte ansehen. 
Dann (ich entnehme das Folgende meinem Tagebuch nur, um 
die große Herzensgüte und die einfache, natürliche Leutseligkeit unsers 
Chefs zu zeigen) fragte er: „Sie sahen heute morgen schon elend 
aus — fehlt Ihnen was?“ 
„Ein leichter Ruhranfall, Exzellenz,“ sagte ich. 
„Auch Fieber? Kopf?“ 
„Ja, ein wenig, Exzellenz.“ 
„Haben Sie denn einen Arzt gefragt?“ 
  
1 Diese Erklärung erschien im Indépendant Réemois am 11. September. 
Bismarck-Regesten I, 403.
	        
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