Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

190 Siebentes Kapitel 12. September 
Grenze gegen die von Jahrhunderten her datierende Gefahr einer 
französischen Invasion. Ein neutraler Zwischenstaat wie Belgien 
oder die Schweiz ist nichts für uns, da sich ein solcher bei wieder— 
ausbrechendem Kriege unzweifelhaft Frankreich anschließen würde. 
Metz und Straßburg mit unsern Absichten entsprechender Umgebung 
müssen Vorland, allen gehörig, werden. Eine Verteilung dieses 
Gebiets an Einzelstaaten empfiehlt sich nicht. Die gemeinsame 
Kriegführung wird nicht ohne heilsamen Einfluß auf die Förderung 
der Einheit Deutschlands in andern Beziehungen bleiben, doch wird 
„Preußen selbstverständlich nach wie vor den freien Willen des 
Südens achten und selbst den Verdacht einer Pression in jeder 
Weise vermeiden. Sehr viel wird dabei auf die persönliche Stimmung 
und die Entschließung des Königs von Bayern ankommen.“ 
Heute vor Tische hatte der Prinz Luitpold von Bayern eine 
lange Unterredung mit dem Chef, wobei ihm dieser „historische und 
politische Vorträge gehalten“ hat. 
Ich habe Grund anzunehmen, daß diese Unterredung der 
Beginn von mehrmals unterbrochnen Unterhandlungen zwischen dem 
Bundeskanzler und den Kaisern von Osterreich und Rußland war, 
die allmählich zu einer Verständigung und schließlich — wahrschein- 
lich mit andern Faktoren — zu dem sogenannten Dreikaiserbündnisse 
führten. 1 Die „historischen und politischen Vorträge“ hatten den Zweck, 
den Prinzen Luitpold, dessen Verhältnis zu seinem Schwager, dem 
Erzherzog Albrecht,? als einer der wenigen Wege erschien, um zu dem 
Kaiser Franz Joseph selbst zu gelangen und ihm gewisse Betrach- 
tungen unverfälscht zur Überlegung zu empfehlen, zu einem Briefe an 
den Erzherzog zu veranlassen, der folgendes zu erwägen geben sollte: 
Die Wendung, die die Dinge in Paris genommen haben, läßt 
in dem jetzigen Kriege Deutschlands gegen Frankreich die Vertei- 
digung des monarchisch-konservativen Prinzips gegen das republi- 
kanisch-sozialistische erblicken, das die jetzigen Machthaber in Frank- 
reich auf ihre Fahne geschrieben haben. Die Erklärung der Republik 
in Paris hat in Spanien Beifall gefunden, und in Stalien ist 
  
1 Vgl. G. u. E. II, 229. 
2 1880 bezeichnet Bismarck den Erzherzog Albrecht als eine der besten 
Stützen für die guten Beziehungen zwischen Osterreich und Deutschland (Poschinger, 
Bismarck und die Parlamentarier I, 184).
	        
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