15. September Siebentes Kapitel 195
wir uns Paris näherten, desto häufiger wurden, besonders in den
Wäldchen und Baumalleen, die Wachtposten, die hier wieder aus
preußischer Infanterie (mit gelben Achselklappen) bestanden, und desto
seltner war in den Dörfern etwas von den Bewohnern zu bemerken.
Fast nur die Schankwirte und die betagten Leute schienen zurück—
geblieben zu sein. Mädchen und junge Frauen schien es nicht zu
geben und Kinder eben so wenig. In Lusanch stand an einer Haus-
thür, mit Kreide geschrieben: „Pockenkranke.“
Graf Bismarck-Bohlen verkürzte uns den Weg mit allerhand
drolligen Geschichten im Rabelaisschen Geschmack. Er erzählte vom
„besoffnen Perlhuhn,“ von Peter O., einem „sentimentalen Ge-
müte, das auch Verse atmet,“ und dem in Rumpenheim ein Aben-
teuer passiert sein soll, das nichts von Sentimentalität, aber desto
mehr von derbster Komik hatte, endlich vom „Wolkenschieber“ M.,
„der sich für ungeheuer gescheit hält und der Meinung ist, er
könnte mal Bundeskanzler werden und würde es dann besser machen.“
Auch Keudell trug mit einer mir neuen und hübschen, aber hier nicht
mitteilbaren Anekdote zur Unterhaltung bei.
Eine Strecke vor dem Städtchen Trillport fuhren wir wieder
über die Marne, und zwar auf einer Brücke von roten preußischen
Pontons, da sowohl die schöne neue Brücke, über die die Eisen-
bahn läuft, als auch die, über die nicht weit davon die Chaussee
führt, von den Franzosen gesprengt war. Von dem Pfeiler neben
dem zerstörten Bogen jener hingen die Schienen mit den darauf
geklammerten Schwellen traurig auf die im Flußbett liegenden
Quadern des Trümmersturzes hinab. Bald nachher ging es auf
hölzerner Ersatzbrücke wieder über Wasser und ein Stück weiterhin
abermals auf einer solchen über einen Kanal, da auch hier die
ursprünglichen ÜUbergänge unpassierbar gemacht worden waren. Es
sah wie ein ziemlich nutzloses Schneiden ins eigne Fleisch aus;
denn das Vordringen der Unsern konnte durch solche Zerstörungen,
namentlich bei den schmalen Wasserläuften, doch kaum stundenlang
aufgehalten werden.
Meaux ist eine Stadt von etwa 12000 Einwohnern in an-
mutiger, baumreicher Gegend. Sie hat schöne schattige Promenaden
und große grüne Gärten. Die Straßen im ältern Teile des Orts
sind meist eng und düster. Der Chef wohnt auf der Rue Tronchon
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