Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

16. September Siebentes Kapitel 199 
graphiert, und er sei, heißt es, in der That jetzt nicht mehr ge— 
neigt, nach Paris zu gehen, sondern gedenke die weitere Entwicklung 
der Dinge in Ferrieres, der Besitzung Rothschilds, abzuwarten, die 
etwa auf halbem Wege zwischen Meaux und Paris liegen soll. 
Beim Diner ist Fürst Hohenlohe als Gast zugegen. Der Chef 
ist ebenfalls anwesend, nachdem er vom Essen beim Könige zurück- 
gekehrt ist. Man erfährt, daß der Mittelpunkt der Verwaltung der 
von unfrer Armee okkupierten französischen Provinzen, abgesehen 
von Elsaß und Lothringen, Reims werden, daß der Großherzog 
von Mecklenburg als Generalgouverneur an die Spitze der dortigen 
Oberbehörden treten, und daß Hohenlohe unter ihm eine Stelle ein- 
nehmen soll. 
Im Gespräch sagt der Chef zu seinem Vetter, der über Übel- 
befinden klagt: „Wie ich so alt wie du war (sener zählt achtund- 
dreißig Jahre), da war ich noch ganz intakt und konnte mir alles 
zumuten, aber in Petersburg, da kriegte ich den ersten Knax."!1 
Jemand lenkt das Gespräch auf die Stadt Paris und die 
Franzosen neben den Elsässern, und der Chef äußert sich aus- 
führlich über das Thema, wobei er zuletzt zu mir spricht — wohl 
eine Erlaubnis oder ein Wink, seine Worte oder deren Sinn in 
die Zeitungen zu bringen. Die Elsässer und Deutsch-Lothringer, so 
sagt er, lieferten den Franzosen viele tüchtige Leute, vorzüglich für 
die Armee, wären aber bei ihnen gering geachtet, brächten es selten 
zu höhern Stellen im Staatsdienste und würden von den Parisern 
durch allerhand Anekdoten und Karikaturen verspottet, wie die 
Irländer von den Londonern. „Das geht übrigens — so fuhr 
er fort — andern französischen Provinzialen auch so, wenn auch 
nicht so schlimm. Frankreich zerfällt gewissermaßen in zwei Nationen: 
Pariser und Provinziale, und diese sind die freiwilligen Heloten 
der andern. Es gilt jetzt der Emanzipation, der Befreiung Frank- 
reichs von der Herrschaft der Pariser. Wer sich draußen in der 
Provinz fühlt, wer sich was werden zu können getraut, der siedelt 
nach Paris über, wird dort in die herrschende Kaste aufgenommen 
und herrscht dann mit. — Ob wir ihnen nicht den Strafkaiser auf- 
nötigen? Es ist immer noch möglich; denn die Bauern wollen 
  
1 G. u. E. I, 234 ff.
	        
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