Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

212 Achtes Kapitel 19. September 
bei einander. Ein Regiment hatte hier eine gute Quelle entdeckt 
und bei ihr Rast gehalten. Von Wachtposten an der Landstraße 
und andern Vorsichtsmaßregeln, wie man sie vor Chateau Thierry 
und Meaux getroffen hatte, war hier nichts zu bemerken, was für 
den Chef, wenn er spät und mit schwacher Begleitung nachkam, 
bedenklich werden konnte. 
Endlich, als es zu dämmern begann, fuhren wir in das Dorf 
Ferrières und bald darauf in das daneben gelegne Gut Roth— 
schilds hinein, in dessen Schlosse der König und mit ihm die erste 
Staffel des großen Hauptquartiers für längere Zeit Wohnung 
nahmen. Der Minister sollte in den letzten drei Zimmern im ersten 
Stock des rechten Flügels Quartier haben, wo er auf die Wiesen, 
den Teich und den Park des Schlosses hinaussah; das Büreau 
nahm eine der größern Stuben des Parterres in Beschlag, und in 
einer kleinern auf demselben Korridor sollte gespeist werden. Baron 
Rothschild war ausgeflogen und in Paris und hatte nur einen 
Bettmeister oder Kastellan, der sich auf das Wichtigthun verstand, 
sowie drei oder vier dienstbare Geister weiblichen Geschlechts zurück- 
gelassen. 
Es war schon dunkel, als der Chef auch eintraf und sich bald 
nachher mit uns zu Tische setzte. Während wir noch aßen, ließ 
Favre anfragen, wann er kommen könne, um die Unterhandlungen 
fortzusetzen, und von halb zehn bis nach elf Uhr hatte er in unserm 
Büreau mit dem Kanzler eine Konferenz unter vier Augen.1 Als 
er wieder ging, sah er — „pielleicht noch Rest einer Mimik, die 
drinnen rühren gesollt,“ bemerkt mein Tagebuch — bedrückt, nieder- 
geschlagen, fast verzweifelnd aus. Die Besprechung schien also 
noch zu keiner Verständigung geführt zu haben; die Herren in 
Paris mußten erst mürber werden. Im übrigen erschien ihr Ge- 
sandter und Vertreter als ein ziemlich großer Mann mit grauem 
Backenbart, der sich um das Kinn zog, etwas jüdischem Gesichts- 
typus und dicker, hängender Oberlippe. 
Beim Diner hatte der Chef, daran anknüpfend, daß der König 
nach Clayes gefahren war, um einen Angriff von unfrer Seite 
zu verhüten, u. a. davon gesprochen, daß manche unfrer Generale 
  
1 Die zweite Besprechung, a. a. O.
	        
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