Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

218 Achtes Kapitel 20. September 
„Ob ein französischer Mobiler das wohl aushielte?“ fragte 
ein andrer Begleiter. 
Auf dem Hügel am Teiche suchten und fanden wir, von Abekens 
Kunstliebe aufmerksam gemacht, eine Statue, mit der der Schloß— 
herr diesen Teil seines Besitzes verzieren zu sollen geglaubt hatte. 
Sie scheint eine von seinen Nebengottheiten neben Adonai zu sein. 
Auf den Gipfel der Anhöhe postiert, von rötlichem Thon angefertigt, 
stellt sie eine Dame vor, die einen Spieß in der Hand und eine 
Mauerkrone auf dem Kopfe hat und ungefähr anderthalbmal so 
groß als gewöhnliche Damen ist. Auf dem Piedestal steht — ver— 
mutlich damit man dem preußischen Generalkonsul nicht Unrecht 
widerfahren lasse und auf den Verdacht gerate, er habe seinem Park 
eine Borussia einverleibt — mit großen Buchstaben AVSTRIA. Ich 
hatte den Gedanken: es wird wohl ein Denkmal der Dankbarkeit 
sein, der Baron wird an Osterreichs Finanznöten viel verdient 
haben. Ein Besucher voll ungeregelter Hochgefühle hatte, jene 
Bezeichnung und Warnung vor Mißverständnis übersehend, der 
Dame mit Bleistift aufs Hemd geschrieben: „Heil dir, Germania, 
deine Kinder sind einig!“ Ein Vetter des Kladderadatsch aber 
hatte darunter bemerkt: „Det war doch früher nich. Ein Berliner 
Kind“ — eine Glosse, die ihm schnöderweise auch bei einem zweiten 
dithyrambischen Gefühlsausbruche eingefallen war, mit dem ein 
andrer Begeisterter den Schild der thönernen Mamsell bekiselackt 
hatte, und der lautete: „Deine Kinder sind auf ewig vereint, du 
große Göttin Deutschland!“ 
Im Schweizerhause herrschte oben in den Stuben eine greuliche 
Wirtschaft. Die Thüren waren aufgebrochen, die Sachen der hier 
wohnenden Dienstleute herumgestreut, auf dem Boden lagen Wäsche- 
stücke, Weiberröcke, Papiere und Bücher — darunter die Liaisons 
dangereuses, eine allerliebste Lektüre für Wäscherinnen und 
Mägde — in wirrem Durcheinander umher. 
Von unsern Entdeckungsreisen zurückgekehrt, erfuhren wir, daß 
der anfangs so anmaßliche Regisseur uns nach näherer Betrachtung 
nicht mehr als ganz und gar unwillkommne Gäste zu betrachten 
vermochte. Er fürchtete sich ungemein vor den francvoleurs, 
wie die Franctireurs jetzt vielfach von den Besitzenden auf dem 
Lande bezeichnet wurden, und diese Furcht hatte ihn unfrer An-
	        
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