23. September Achtes Kapitel 233
Erlaubnis von seinem Minister. Als er indes das nächstemal sah,
daß der Hannoveraner Bothmer sich eine genehmigte, muß er, der
eifrig österreichisch war — er hatte dort Söhne in der Armee —,
sich mit Rechberg verständigt haben; denn er zog jetzt ebenfalls
vom Leder und dampfte. Nun waren nur noch der Württemberger
und der Darmstädter übrig, und die rauchten überhaupt nicht.)
Aber die Ehre und die Bedeutung ihrer Staaten erforderten es
gebieterisch, und so langte richtig das folgende mal der Württem-
berger eine Cigarre heraus — ich sehe sie noch, es war ein langes,
dünnes, hellgelbes Ding, Couleur Roggenstroh — und rauchte sie
als Brandopfer für das Vaterland wenigstens halb. Nur Hessen-
Darmstadt enthielt sich, wahrscheinlich in dem Bewußtsein, zur Riva-
lität doch nicht groß genug zu sein.“
Freitag, den 23. September. Heute morgen herrliches,
nach elf Uhr sehr heißes Wetter. Bevor der Chef aufgestanden
war, Ausflug in den Park. In einem Gehege links vom Bach ein
starkes Rudel weidender Rehe. Weiter draußen eine prachtvolle
Voliere, in deren geräumigen Drahtkäfigen eine Menge ausländischer
Vögel, darunter chinesische, japanische, neuseeländische, seltne Tauben,
Goldfasanen u. dergl., auch eine Wachtelzucht. Zurückgekehrt, be-
gegnete ich Keudell im Korridor. „Krieg!“ ruft er. „Brief von
Favre, der alle Forderungen ablehnt. 1 Wir werden das auf Weisung
des Chefs mit gewissen Kommentaren in die Presse besorgen und
dabei andeuten, daß der gegenwärtige Bewohner von Schloß Wil-
helmshöhe am Ende doch nicht so übel sei, und daß er uns von
Vorteil sein könnte. «
Nach dem Frühstück bekomme ich von Keudell eine Anzahl auf—
gefangner englischer Briefe aus Paris zu etwaiger Benutzung des
Inhalts, der meist für Zeitungen bestimmt ist. Es ist indes für
unsre Presse wenig davon von Interesse: Lamentos über die Ver—
wüstung der hübschen Boulevards, über Angriffe des Volkes auf
imperialistische Generale, z. B. Vaillant, Mitteilung eines Rund—
schreibens Jules Favres und ähnliches.
Bei Tische, wo Graf Tauffkirchen, der in Reims angestellt
*) Der Württemberger war von Reinhard, der Darmstädter von Münch-
Bellinghausen, beide sehr entschiedne Gegner Preußens.
1 Der Brief kam in der Nacht vom 22. zum 23. Septbr. an. Abeken, 419.