250 Achtes Kapitel 29. September
mir dann meinen König. Denn warum, wenn es nicht göttliches
Gebot ist — warum soll ich mich denn diesen Hohenzollern unter—
ordnen? Es ist eine schwäbische Familie, die nicht besser ist als
meine, und die mich dann gar nichts angeht. Ich wäre dann
schlimmer als Jacoby, den man sich dann schon gefallen lassen
könnte als Präsidenten — oder auch als König.“
Keudell sagte mir diesen Abend draußen vor dem Schlosse, in
ähnlicher Weise habe sich der Chef schon mehrmals geäußert.!2
Nach dem Essen war der Großherzog von Weimar oben beim
Bundeskanzler, dann Régnier und zuletzt Burnside mit seinem Be-
gleiter vom vorhergehenden Tage.
Donnerstag, den 29. September. Früh Artikel gemacht
über die Thorheit deutscher Zeitungen, vor der Beanspruchung von
Metz und Umgegend deshalb zu warnen, weil man dort französisch
spreche, sowie über Ducrots mit nichts zu entschuldigendes Ent-
wischen auf dem Transport nach Deutschland. Der zweite Aufsatz
geht auch nach England.
In den Zeitungen findet sich ein Bericht über die Stimmung
in Bayern, der ganz augenscheinlich aus zuverlässiger und hoch
1 Vgl. den Brief an seine Frau, Frankfurt a. M., 3. Juli 1851: „Ich
begreife nicht, wie ein Mensch, der über sich nachdenkt und doch von Gott nichts
weiß und wissen will, sein Leben vor Verachtung und Langeweile tragen kann.
Ich weiß nicht, wie ich das früher ausgehalten habe; sollte ich jetzt leben wie
damals ohne Gott, ohne dich, ohne Kinder — ich wüßte doch in der That nicht,
warum ich dies Leben nicht ablegen sollte wie ein schmutziges Hemde.“ H. Kohl,
Bismarckbriefe 124. — An den Gutsbesitzer Andrä in Roman (Pommern) auf dessen
Klagen, daß Bismarck vielfach für unkirchlich und politisch gewissenlos gelte, vom
26. Dezember 1865 u. a.: „Wenn ich unter der Vollzahl der Sünder, die des
Ruhmes vor Gott mangeln, hoffe, daß seine Gnade auch mir in den Gefahren
und Zweifeln meines Berufs den Stab demütigen Glaubens nicht nehmen werde,
an dem ich meine Wege zu finden suche, so soll mich dieses Vertrauen weder
harthörig gegen tadelnde Freundesworte noch zornig gegen liebloses und hof-
färtiges Urteil machen.“ Später hat B. zu der Unterschrift Andräs am Rande
bemerkt: „Ein eitler poseur!“ — a. a. O. 422 und Bismarck-Jahrbuch III,
213 ff. — An Leopold von Gerlach 2. Mai 1860: „Der Gott, der mich un-
erwartet hineingesetzt hat lin den königlichen Dienst!, wird mir auch lieber den
Weg hinauszeigen, als meine Seele darin verderben lassen, solange ich ehrlich
suche, was seines Dienstes in meinem Amte ist, und gehe ich fehl, so wird er
mein tägliches Gebet hören und mein Herz wenden.“ Bismarcks Briefe an den
General Leopold von Gerlach, herausgegeben von H. Kohl, S. 346.