4. Oktober Achtes Kapitel 257
unsichtbar war. Beim Essen, woran der Hofmarschall Perponcher
und ein Herr von Thadden, der zum Mitglied der Verwaltung
in Reims bestimmt war, teilnahmen, erzählte der Chef mehrere
hübsche Anekdoten vom alten Rothschild in Frankfurt. Der habe
einmal in seiner Gegenwart mit einem Getreidehändler über Weizen—
verkauf gesprochen. „Dabei sagte der Händler zu ihm, als reicher
Mann habe er doch nicht nötig, den Preis des Weizens so hoch
zu stellen. — Was reicher Mann? erwiderte der alte Herr. Ist
mein Weizen darum weniger wert, weil ich ein reicher Mann bin?“
„Er gab übrigens Diners, die seinem Reichtum alle Ehre
machten. Ich erinnere mich: einmal war der jetzige König, damals
noch Prinz von Preußen, in Frankfurt, und ich lud ihn zu Tische.
Darauf hatte ihn Rothschild auch einladen wollen. Der Prinz hatte
ihm aber gesagt, das möchte er mit mir ausmachen, er äße sonst
ebenso gern bei ihm als bei mir. Er kam nun und wollte, ich
sollte ihm die Königliche Hoheit abtreten, ich könnte ja bei ihm
mitessen. Ich schlugs ihm ab. Da hatte er die Naivität, zu
meinen, sein Diner könnte ja zu mir ins Haus gebracht werden,
er äße doch nicht mit — er genoß nämlich nur Koscheres. Ich
lehnte auch diesen Vorschlag zur Güte ab — natürlich, obwohl
sein Diner ohne Zweifel besser war als das meinige.“
Ferner habe ihm der alte Metternich — „der mir beiläufig
sehr wohl wollte,“ schaltete er ein — mitgeteilt, als er einst bei
Rothschild gewohnt habe, da habe ihm der bei der Abreise nach
dem Johannisberg ein Dejeuner mit auf den Weg gegeben, bei
dem auch sechs Flaschen Johannisberger Schloß gewesen wären.
Auf dem Johannisberg wären sie ungeöffnet ausgepackt worden,
und der Fürst hätte seinen Weinverwalter kommen lassen und ihn
gefragt, was die Flasche bei ihm koste. — Zwölf Gulden, hätte
der geantwortet. — So, nun dann schicken Sie dem Baron Roth—
schild die sechs bei der nächsten Bestellung wieder zu, berechnen
Sie sie ihm aber zu fünfzehn Gulden, weil sie dann älter ge—
worden sind.“
Dienstag, den 4. Oktober. Heute vormittag wieder nicht
zum Chef gerufen. Nach dem Frühstück treffen Legationsrat Bucher
und Sekretär Wiehr, Chiffreur, bei uns ein. Bucher wird — mir
unverständlich — von Bohlen als „das Karnickel, das angefangen
Busch, Tagebuchblätter 1 17