Neuntes Kapikel
Die Reise nach Versailles — Das Haus der Madame
Iesse — Unser dortiges Teben im allgemeinen
Wir verließen Ferrieres am 5. Oktober morgens gegen sieben
Uhr. Zuerst fuhren wir meist auf Dorfwegen, die aber vor-
trefflich imstande waren, durch einen großen Wald, durch ver-
schiedne ansehnliche, dem Anschein nach völlig von ihren Bewohnern
verlassene und nur mit deutschem Militär belegte Dörfer, an Parks
und Schlössern vorüber. Alles sah ungemein reich und fett aus —
fett wie der Fromage de Brie, in dessen Geburtsgegend wir uns
jetzt, glaube ich, befanden. In den Ortschaften trafen wir erst
württembergische, dann preußische Einquartierung. Nach zehn Uhr
waren wir am obern Rande des Thales der Seine angelangt, wo
es auf einem neugebahnten schrecklich steilen Wege durch einen Wein-
berg nach dem niedrigen Ufergelände des Flusses hinabging, sodaß
alles ausstieg, und die Wagen nur durch geschicktes Lavieren vor
dem Umwerfen und Zerbrechen bewahrt werden konnten. Dann
fuhren wir durch das reizende Städtchen Villeneuve Saint
George, in dessen Villen eine greuelvolle Verwüstung herrschte.
In mehreren, die ich besuchte, während die Pferde von ihren
Strapazen ausruhten, waren die Spiegel zerschlagen, die Polster-
möbel zerbrochen oder aufgeschlitzt, Wäsche und Papiere umher-
gestreut u. s. w. Die Weiterreise brachte uns zunächst über einen
Kanal oder Nebenfluß hinaus aufs freie Feld und dann auf eine
Pontonbrücke, die über die Seine führte, und an deren Anfang
große schwarz-weiße Flaggen wehten. Der Strom zeigte klares
grünes Wasser, worin man die vielen Algen auf dem Grunde deut-
lich sah, und seine Breite schien mir etwa der des Elbspiegels bei
Pirna gleichzukommen. Am andern Ufer begegnete uns der Kron-