280 Zehntes Kapitel 8. Oktober
„Ich weiß nicht, welcher, Exzellenz, ich habe in der letzten
Zeit mehrmals auf das Treiben der Ultramontanen aufmerksam
gemacht.“
Er suchte und fand den Ausschnitt, dann las er ihn etwa zur
Hälfte laut und sagte: „Hm, das ist aber alles ganz wahr und
richtig. — Ja, er ist ganz gut. Aber der gute Thile ist völlig
in Savignys! Stricken. Er ist außer sich, daß wir Papstens nicht
gerettet haben."“
Sonnabend, den 8. Oktober. Früh bevor der Minister
aufsteht, mache ich einen Gang nach dem Schlosse der Bourbonen,
über dessen Mittelbau die weiß und schwarze Preußenfahne und da-
neben die mit dem roten Kreuze weht. Ich finde, daß die marmornen
französischen Heroen im Hofe davor, genauer betrachtet, doch zum
Teil recht mäßige Leistungen sind. Bayard und Duguesclin, Turenne,
Colbert, Sully und Tourville sind darunter. Die Seehelden nehmen
Stellungen wie Kulissenreißer ein, und man besorgt, daß sie dabei
von ihren Postamenten fallen und auf dem Pflaster Schaden nehmen
könnten. Viel schöner ist der bronzene Louis Quatorze, doch möchte
ich auch dem den Schlüterschen Großen Kurfürsten in Berlin vor-
ziehen. Der Morgen ist trüb und kühl, und der Herbst fängt an,
sich bemerklicher zu machen. Die Blätter an den Baumwipfeln der
Avenuen werden rot und gelb, und bald wird man ein Feuer im
Kamin vertragen können.
Ich wurde diesen Tag mehrmals zum Chef geholt, und es
gingen wieder vier Artikel auf die Reise nach Deutschland. Beim
Frühstück äußerte ich, der sentimentale und stellenweise weinerliche
Ton in Favres Bericht über Haute Maison und Ferrieres sei doch
wohl Theaterspielerei. „Ach nein — erwiderte Keudell —, es ist
Natur, und er meint es wirklich so. Es ist das Ministerium der
honnétes gens, was freilich im Französischen einen gelinden Bei-
geschmack von Schwachmatizität hat.“ Der Kanzler speiste heute
1 Der frühere preußische Bundestagsgesandte und Minister von Savigny,
der zu den Schul= und Jugendfreunden Bismarcks gehörte, war dessen Feind
geworden, von dem Augenblick an, wo er die Hoffnung aufgeben mußte, Bundes-
kanzler zu werden. Bismarck erzählte darüber seinen Gästen Näheres im
Jahre 1881. (Poschinger, Bismarck und die Parlamentarier 1I, 206 u. II, 162.)