298 Zehntes Kapitel 15. Oktober
Nach vier Uhr ließ sich ein schlanker, wohlgekleideter Neger
beim Minister melden. Auf seiner Karte stand: „General Price,
Gesandter der Republik Hayti.“ Der Chef bedauerte, ihn wegen
dringender Geschäfte nicht empfangen zu können (Moltke und Roon
waren wieder oben), was er wünsche, möge er schriftlich vortragen.
Um fünf Uhr kam auch der Kronprinz zur Beratung des Kanzlers
mit den Generalen. Übrigens schien man zwischen hier und Metz
noch verschiedner Meinung zu sein. Wenigstens erzählt Hatzfeldt,
der Chef habe dem Prinzen Friedrich Karl (wohl durch den Ritt—
meister Millson, den preußischen Begleiter Boyers) sagen lassen, er
solle „ihm seine Kreise nicht stören.“
Auch von andrer Seite wirken Ursachen erschwerend auf die
Entwicklung dessen ein, was der Kanzler als Politiker im Auge
hat. So äußerte er bei Tische: „Es ist recht lästig, daß ich jeden
Plan, den ich habe, erst mit fünf oder sechs Personen besprechen
muß, die in der Regel nichts davon verstehen, und deren Einreden
ich anzuhören und höflich zu widerlegen genötigt bin. So habe ich
in der letzten Zeit drei volle Tage mit einer Sache verbringen
müssen, die ich unter andern Umständen in drei Minuten hätte er—
ledigen können. Es ist gerade, wie wenn ich in die Anlage einer
Batterie an dem oder jenem Orte hineinreden wollte, und der be—
treffende Offizier mir, der ich von seinem Gewerbe nichts verstehe,
Rechenschaft geben sollte.“
Später erzählte er: „Gestern hatte ich Moltke und Roon bei
mir und trug ihnen eine Sache vor.! Roon, der an parlamen-
1 Es hat sich wohl wieder um die Verhandlung mit Bazaine gedreht. Auch
darüber bestand eine Verschiedenheit der Ansichten zwischen Bismarck und der
Heeresleitung. Kaiser Friedrichs Tagebuch vom 10. Oktober: „Bismarck will
ihn [Boyer] hören, Roon und Moltke nicht, uneinig unter einander, werfen
sie sich vor, keine Mitteilungen zu erhalten, Friedrich Karl ist dagegen, weil er
fürchtet, die Kapitulation könne in Versailles abgeschlossen werden.“ 14. Oktober.
.. „Bismarck will ihn benützen, um alle Mittel in der Hand zu behalten, die
möglicherweise zu einem friedlichen Resultat führen.“ Vgl. auch eine Bemerkung
Verdys S. 214 vom 24. Oktober: „Hier sin Versailles! erzählte man, daß die
Kaiserin sich nach Metz begeben und dorthin das Corps lôégislatif habe zu-
sammenrufen wollen. Ein vierzehntägiger Waffenstillstand sollte — aber nur
vor der Festung — geschlossen werden. Metz und die daselbst befindliche Armee
bietet für uns zunächst ein rein militärisches Objekt, und wir werden uns nicht