Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

316 Zehntes Kapitel 21. Oktober 
zu bearbeiten. Wenn man daran denkt, wie man — ich habe da 
und später im Vereinigten Landtage doch manche dumme Rede 
gehört — und (nach einer Pause, lächelnd) gehalten.“ 
Man sprach von der prächtigen Ausstattung der hiesigen Prä— 
fektur und davon, daß sie zwei Millionen gekostet habe. „Damit 
ist doch keins von unsern Ministerien in Berlin zu vergleichen — be— 
merkte der Kanzler hierzu —, selbst das Kriegsministerium nicht, 
das doch eher nach etwas aussieht. Das Handelsministerium mag 
auch angehen. Aber wir! Selten hat wohl ein Minister so be- 
schränkt gewohnt. Wo wir schlafen, ist ein Raum höchstens noch 
einmal so groß wie dieser hier, und daraus haben sie drei gemacht, 
einen leidlich großen für mich, einen kleinen für meine Frau und 
einen, wo bisher meine Söhne schliefen.“ — „Wenn ich Leute bei 
mir sehe, muß ichs wie kleine Honoratioren in der Provinz machen, 
Stühle borgen, alles ausräumen, sogar mein Arbeitszimmer.“ — 
Jemand machte sich über die chinesische Tapete lustig, die in Berlin 
den einen großen Saal bekleidet. — „Ach lassen Sie die doch zu- 
frieden,“ erwiderte der Chef. „Wenn die der Staat einmal nicht 
mehr braucht, kaufe ich sie für Schönhausen. Ich habe viel mit 
ihr durchgemacht, und dann ist sie in ihrer Art wirklich schön."“ 
Zwischen halb acht und halb neun Uhr war der Maire der 
Stadt wieder beim Minister. Später ging ein nach Weisungen des 
Kanzlers verfaßter Artikel über das Betragen unsers unhöflichen 
Wirtes in Ferrieres zur Beförderung nach Deutschland ab. Er 
lautete: 
„In einem Briefe, datiert: Paris, Place de la Madeleine 70, 
schreibt jemand an die Gräfin Moustier unter andern Unwahrheiten 
die folgende: Bei uns verlangten die Preußen Fasanen. Rothschild 
erzählt mir soeben, daß sie bei ihm welche gehabt hätten. Aber sie 
haben den Rendanten prügeln wollen, weil sie nicht getrüffelt ge- 
wesen. Für jeden, der den königlichen Haushalt in Ferrieres 
gesehen hat, war der Eindruck ungewöhnlicher Einfachheit und sorg- 
fältigster Schonung alles Rothschildschen Eigentums in einer Weise 
vorwiegend, daß sich ihm Vergleichungen über die Behandlung des 
Besitzes dieses Millionärs, der geschützt war durch das Glück, daß 
der König bei ihm wohnte, mit den notwendigen Kriegsleiden des 
ärmern Mannes aufdrängten. Se. Majestät gestattete in der Auf-
	        
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