Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

318 Zehntes Kapitel 22. Oktober 
Wenn der Chef gestern abend sagte, es sollte unsrerseits nicht 
gelitten werden, daß sich bei Gelegenheit von Treffen auf den 
Straßen Gruppen von Leuten bildeten, die Bewohner sollten 
aufgefordert werden in solchen Fällen in ihren Häusern zu bleiben, 
und die Patrouillen müßten angewiesen sein, auf Zuwiderhandelnde 
sofort zu schießen, so ist das nun erfüllt. Heute machte der 
Kommandant von Versailles, von Voigts-Rhetz, bekannt, daß nach 
dem Alarmsignal alle Einwohner der Stadt sich ohne Verzug nach 
Hause zu begeben haben, und daß den Truppen Befehl erteilt 
worden ist, gegen Ungehorsame von ihren Schußwaffen Gebrauch 
zu machen. 
Der Pariser Polizeipräfekt Kératry ist in Madrid erschienen, 
um dem General Prim zwei verschiedne Vorschläge zu unterbreiten, 
deren erster ein Offensiv= und Defensivbündnis zwischen Frankreich 
und Spanien ist, kraft dessen Spanien eine Armee von 50000 
Mann zu Hilfe zu schicken hätte. Der Zweck wäre gemeinschaft- 
liche Verteidigung der Interessen der Völker lateinischer Rasse gegen 
die Allmacht der germanischen. Als Prim diesen seltsamen Ge- 
danken ablehnte (seltsam; denn eine Unterstützung Frankreichs durch 
Spanien, dem es vor drei Monaten in anmaßendster Weise seinen 
Willen aufgenötigt hat, wäre doch eine Selbstverleugnung und ein 
Verkennen des klaren eigenen Interesses ohnegleichen gewesen), 
hat der französische Unterhändler das Verlangen gestellt, Spanien 
möge dann wenigstens durch Dekret die Waffenausfuhr nach Frank- 
reich freigeben. Aber auch darauf ist Prim nicht eingegangen. 
Vor Tische machte ich mit Bucher eine Fahrt durch den Wald 
der Fausses Reposes nach dem zwischen Sevres und Saint Cloud 
anmutig gelegnen Städtchen Ville d'Avray, um die Villa Stern 
zu besuchen, wo man eine gute Aussicht auf Paris haben sollte. 
Die dort stehende Schildwache ließ uns nicht ein; indes fanden wir 
auf der andern Seite des Thales am Rande eines Parks einen 
strohgedeckten Pavillon, der unfrer Absicht genügte. Mit bloßem 
Auge schon sah man hier im gelblichen Abendlicht über den Vor- 
städten von Paris einen großen Teil der Stadt selbst mit der 
weißen geraden Linie der Enceinte, den Invalidendom mit seinen 
goldnen Reifen, die Notredame-Kirche mit ihren stumpfen Türmen, 
die Kuppel des Pantheon und ganz zur Rechten Val de Grace.
	        
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