23. Oktober Zehntes Kapitel 323
des Schlosses stattlich einzurichten, und dazu sei ein fremder Architekt
eingetroffen. Dann sei eines Tages eine Dame erschienen, die hier
unserm Usedom das Leben gegeben habe, und nach sechs Wochen
ebenso geheimnisvoll, wie sie aufgetaucht war, wieder verschwunden sei.
„Na, da weiß ich doch nicht, ob das richtig ist,“ sagte der
Chef. „Ich habe so was einmal in einem Roman gelesen, der auf
Rügen spielte. Es handelte sich dort um eine andre Familie, ich
glaube, um die (Name unverständlich). — Zu den Usedoms gehört
er gewiß nicht; denn die zeichnen sich alle durch große Dummheit
aus, und der ist doch im allgemeinen nicht dumm, obwohl er in
Turin Dummheiten genug begangen hat. — Noch mehr zuwider
aber ist mir seine Frau. Nicht so sehr wegen ihres keifenden Auf-
tretens, oder weil sie sich in Frankfurt mit allen Ladenfrauen zankte,
sondern deswegen, weil sie unfre Depeschen preisgegeben hat, weil
sie, während sie frisiert wurde, den Leuten davon erzählte."“!1
Als Delbrück erwähnte, daß Bayern bei den vorläufigen Ver-
handlungen über eine neue Organisation Deutschlands Anspruch auf
eine Art Mitvertretung des Bundesstaats im Auslande erhoben
habe, die man sich so vorstelle, daß, wenn der preußische oder viel-
mehr der deutsche Botschafter abwesend sei, der bayrische die Geschäfte
fortführe, sagte der Chef: „Nein, alles andre, aber das geht wirklich
nicht; denn es kommt doch nicht auf den Gesandten an, sondern
auf die Instruktionen, die er bekommt, und da hätten wir zwei
1 Über Usedom und seine Gattin, eine Engländerin, äußerte sich Bismarck
gegenüber dem Prinzregenten Wilhelm 1859 ganz ähnlich. Usedom wurde trotzdem
sein Nachfolger in Frankfurt. Gedanken und Erinnerungen 1, 203 ff. Bismarck-
Jahrbuch IV, 153 f. Gegenüber Max Tuncker äußerte er 1866, U. sei „ein
liebenswürdiger Konversationsminister, nichts weiter; er habe nicht den Grad
von Energie, den die jetzigen Verhältnisse lam Hofe in Florenz] fordern.“ Aus
dem Leben Theodor von Bernhardis IV, 286, vgl. 295. Eben deshalb wurde
Bernhardi als Militärbevollmächtigter im Mai 1866 nach Italien geschickt. Vgl.
noch Sybel V, 72 ff. Friedjung, Der Kampf um die Vorherrschaft in Deutsch-
land I2, 362 ff. Bismarck bemerkte 1867 zu dem Redakteur der (deutschen)
Petersburger Zeitung, Usedom „wäre längst nicht mehr auf seinem Posten, wenn
seiner Entfernung nicht Nebenrücksichten im Wege stünden.“ Poschinger, Tisch-
gespräche I, 252. Der König schützte in ihm den Freimaurer und gab deshalb
auch 1869 Bismarcks Drängen, U. aus Florenz abzuberufen, nicht nach. Ge-
danken und Erinnerungen 204 ff. Bismarck-Jahrbuch I1, 78. 80.
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