30. Oktober Elftes Kapitel 335
nicht kenne? Der Bauer habe auch darauf mit nein geantwortet.
Da sei ein Nachbar hinzugekommen, und als der Gevatter vom
Lande sich bei dem erkundigt, wer der Herr Thiers sei, habe der gesagt.
es sei wohl einer aus der Kammer. „Offenbar ärgerte sich Thiers
darüber, daß man nicht mehr von ihm wußte,“ setzte Hatzfeldt hinzu.)
Exzellenz Friesen hatte ein hübsches Beispiel von der un-
vorsichtigen Hast der geflüchteten Versailler und von der Ehrlichkeit
der deutschen Soldaten zu berichten. Er habe, so erzählt er, heute
in seinem Quartier, wo doch gewiß schon drei oder vier mal Ein-
quartierung gewesen, eine Kommode aufgeschlossen, da sei ihm unter
allerlei Frauenputz, Hauben, Tüchern und Bändern erst eine, dann
eine zweite Rolle, jede mit fünfzig Stück Napoleons, in die Hände
gefallen. Er habe diese zweitausend Franken dem Concierge über-
geben wollen, der habe indes gemeint, er, Friesen, möge es doch
lieber selbst aufheben. Es ist dann, glaube ich, der zur Ver-
wahrung solcher Funde bestimmten Behörde zugesandt worden.
Der Chef ging jetzt einen Augenblick hinaus und kam darauf
mit einem Etui wieder, in dem die Goldfeder lag, die ihm ein
Pforzheimer Juwelier (Bissinger) zur Unterzeichnung des Friedens
verehrt hat. 1 Er fand sie sehr schön, besonders die Fahne, zweifelte
*) Daß auch Parlamentarier in Deutschland, und zwar auch solche, die
erheblich weniger Bedeutung haben als Thiers, ein stark ausgeprägtes Selbst-
gefühl haben und es unnatürlich finden, wenn sie nicht alle Welt kennt, mag
folgendes ergötzliche Seitenstück zu der obigen Anekdote zeigen. Im Dezember 1878
erzählte mir L. Bucher: „Da war ich neulich in einer hiesigen (Berliner) Familie,
bei Beckers, eingeladen zu einem kleinen Souper von sechs oder acht Personen.
Es waren mehrere Abgeordnete darunter, z. B. Bethusy-Huc, auch Laskerchen.
Der sagte: „Da will ich Ihnen einmal was merkwürdiges erzählen. Mache ich
vorigen Sommer eine Gebirgsreise mit einem Freunde in Oberbayern. Da saßen
wir eines Abends unter dem Vordach einer Dorfschmiede, ruhten uns aus und
unterhielten uns mit dem Meister. Ei, denkt mein Freund, willst dem guten
Manne doch mal eine kleine Freude machen, und so fragte er den Schmied:
Wissen Sie wohl, wen Sie da vor sich haben? — Das weiß ich wirklich nicht,
antwortete der Schmied. — Nun, den Lasker, 's ist der Lasker, sagte ihm
mein Freund. — Glauben Sie aber wohl, daß der Mann nicht wußte, wer
und was der Lasker wars?“
1 Der badische Minister Jolly hatte sie ihm am 30. Oktober überreicht.
„Er hatte wirklich eine naive Freude dran.“ Jolly 189. Bismarck dankte dem
Geber am 13. November. Bismarck-Regesten 1, 408.