Full text: Tagebuchblätter. Erster Band. (1)

352 Elftes Kapitel 5. November 
Franctireur wieder herausgetreten, durch die Büsche geschlichen und 
zuletzt Hals über Kopf davongelaufen sei. Die Posten hätten nach 
ihm geschossen, er sei aber glücklich bis an die Brücke von Sevres 
gelangt, hier in den Fluß gesprungen und schwimmend und tauchend 
wohlbehalten ans andre Ufer gekommen, wo ihn die Franzosen als 
kühnen Vaterlandsfreund aufgenommen hätten. „Er soll einer 
unfrer besten Spione sein,“ schloß der Erzähler seine Anekdote.) 
Sonnabend, den 5. November. Früh trübe Luft, eintönig 
grauer Himmel, später wird es auf einige Stunden klarer. Wie 
man erfährt, haben sich die Offiziere der in Rom überflüssig ge- 
wordnen päpstlichen Zuaven aus der Schweiz nach Frankreich be- 
geben, um unter Charette gegen die Deutschen zu fechten — gegen 
den Feind des ultramontanen Lagers, nicht für die Republik —, 
was in der Presse zur Aufklärung zu verbreiten. 
Gegen ein Uhr fand eine kurze Konferenz des Kanzlers und 
Delbrücks mit andern deutschen Ministern statt, worin, wie später 
bemerkt wurde, unser Chef den Herren über seine Verhandlungen 
mit Thiers Bericht erstattete, auch mit ihnen von der Herkunft der 
hier noch nicht vertretnen deutschen Souveräne sprach.1! Keudell 
reiste in der vierten Nachmittagsstunde nach Berlin ab. Man hörte 
den ganzen Tag über schießen, aber nicht so heftig wie die letzten 
Tage. Beim Diner war von den Exzellenzen anfangs nur Delbrück 
zugegen. Später setzte sich auch der Kanzler zu uns, der vorher 
beim Könige gespeist hatte. Indem er sich von Engel ein Glas 
Kornbranntwein einschenken ließ, erinnerte er sich an ein hübsches 
Diktum. Neulich — wenn ich nicht irre, wars in Ferrieres — 
hatte ein General — mir ist, als hätte er den Denker Moltke 
genannt — in betreff der Getränke der Menschen den Grundsatz 
ausgesprochen: „Für Kinder Rotwein, für Männer Sekt, für 
Generale Schnaps."“ 
Er klagte dann Delbrück, daß er beim Könige wieder seine 
Not mit den Fürstlichkeiten gehabt habe, die ihn abgehalten hätten, 
  
*) Diese hat eine verdächtige Ahnlichkeit mit einer andern, die später von 
französischen Blättern erzählt wurde, wo aber nicht die Franzosen, sondern unfre 
Leute die Getäuschten gewesen sein sollten. Der Held dieser Geschichte hieß hier 
Bonnet und war Forstläufer. 
1 Darüber Jolly 192f.
	        
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