5. November Elftes Kapitel 355
recht verstand, gedenkt er im Kreise Nieder-Barnim als Kandidat
aufzutreten.
Thiers ist, nachdem er an der Brücke von Sevres eine Be-
sprechung mit Favre und Ducrot gehabt hat, wieder eingetroffen
und hat eine Konferenz mit dem Chef, die von halb neun bis nach
halb zehn Uhr dauert.
Man spricht beim Thee davon, daß Favre und Ducrot unfre
Waffenstillstandsbedingungen für unannehmbar erklärt hätten, doch
solle die Meinung der Kollegen eingeholt werden und Thiers morgen
die endgiltige Antwort überbringen.
Ich unterbreche hier die Chronik des Tagebuchs, um einige
Erläuterungen zu dem einzuschalten, was im Obigen über Napoleon
und Belgien im Jahre 1866 gesagt wurde.
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Daß Frankreich Belgien in jener Zeit erwerben wollte, wenn
auch auf einem andern, weniger Entschlossenheit erfordernden Wege
als dem oben bezeichneten, ist bekannt. Ein unwiderleglicher Beweis
dafür war der hierauf bezügliche Vertragsentwurf, den Benedetti
dem Bundeskanzler überlassen hatte, und der kurz nach Ausbruch
des Krieges vom Auswärtigen Amte veröffentlicht wurde. Benedetti
versuchte in seinem Buche: La Mission en Prusse die Sache dennoch
abzuleugnen. Er sagt da auf Seite 197:
„Man erinnert sich, daß ich am 5. August (1866) dem Herrn
von Bismarck den Vorschlag eines Vertrags in Bezug auf Mainz
und das linke Ufer des Oberrheins vorgelegt hatte, und ich brauche
nicht zu sagen, daß Herr Rouher sich am 6. im zweiten Absatz seines
Briefes auf diese Mitteilung bezieht. Aber was sie ebenfalls zeigt,
und was entgegen den Behauptungen des Herrn von Bismarck fest-
zustellen wichtig ist, ist die Thatsache, daß in Paris niemand davon
geträumt hat, Belgien zum Zahlungsmittel in betreff der für Frank-
reich notwendigen und ihm nach den eignen Worten des preußischen
Gesandten gebührenden Zugeständnisse zu machen."“
Dem Grafen Benedetti war es, als er dies schrieb, unbekannt,
daß den deutschen Truppen während des Krieges gewisse geheime
Papiere in die Hände gefallen waren, die ihn widerlegten. Das
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